Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen Ungarn” von Radio Kossuth
23. April 2021

Katalin Nagy: Die Zahl der Geimpften hat die drei und halb Millionen erreicht. Viele Menschen haben dafür gearbeitet. So können entsprechend den Plänen am Wochenende die Terrassen der gastronomischen Einheiten öffnen. Ich begrüße im Studio Ministerpräsident Viktor Orbán. Hält der europäische Direktor der WHO die Öffnung oder diesen Schritt nicht für verfrüht?

Ich wünsche allen einen guten Morgen! Ehrlich gesagt, habe ich ihn das nicht gefragt, da es zwar ein spannendes Gespräch war, das ich mit ihm führen durfte, doch hat er vielmehr die Positiva hervorgehoben. Also dass Ungarn auf beispielhafte Weise voranschreitet. Und mich hat interessiert, ob man in den kommenden Jahren mit anderen, dem Coronavirus ähnlichen Pandemien rechnen muss, was sie darüber wissen? Ob sie irgendein Frühwarnsystem haben? Also ob wir, wenn sich erneut solch eine Pandemiegefahr in der Welt ergeben sollte, dann klüger sind, also ob die Menschheit klüger ist, und sich besser vorbereiten kann, als sie das jetzt getan hat. Die Öffnung haben wir nicht von der Meinung der WHO abhängig gemacht, sondern sind nach einer eigenen zeitlichen Einteilung vorgegangen. Auf der Sitzung des Operativen Stabes heute Früh hat man mir mitgeteilt, dass wir 3.508.846 Personen geimpft haben. Und dies bedeutet, dass die Terrassen ab morgen Früh öffnen dürfen. Auch mich erwartet ein Krug Bier auf meiner Terrasse. Und ich kann es kaum erwarten, dass wir endlich an diesem Punkt ankommen, denn ich sage es ganz ehrlich, dieses eine Jahr war jetzt schon wirklich kaum mehr auszuhalten. Wir alle sind erschöpft, und der Winter unseres Missvergnügens dauert jetzt schon ein Jahr. Nun, man musste also auch ein-zwei Regeln verändern, denn um die Terrassen abends um halb zehn schließen zu können – das ist der Plan, dass sie bis dahin auf sein können, da werden die Menschen nicht bis zehn Uhr nach Hause gelangen, denn ich denke, sie werden besser gelaunt sein als sonst, und sie mögen sich gegenseitig vielleicht auch mehr, also: sie brauchen Zeit, um nach Hause zu gelangen –, beginnt das Ausgangsverbot morgen, das heißt am Samstag nicht um 10, sondern um 11 Uhr, es reicht also aus, um 11 Uhr zu Hause anzukommen. Das ist jetzt die Situation. Doch ich bin bereits über die drei und halb Millionen hinaus und denke schon darüber nach, dass wir Mitte der nächsten Woche bei vier Millionen angekommen sein werden. Darüber haben mich die Experten des Seuchenschutzes auf der heutigen Sitzung des Operativen Stabes informiert.

Ist der nächste Schritt der Öffnung schon festgelegt?

Ja, wir haben auch diesen. So wie ich es versprochen habe, werde ich immer hier im Rundfunk einige Tage vor dem nächsten Schritt des Neustarts sagen können, womit die Ungarn rechnen können. Bei vier Millionen Geimpften, und das werden wir meiner Ansicht nach in der nächsten Woche um den Mittwoch, Donnerstag erreichen, werden wir eine breite Skala der Dienstleistungen vor denen öffnen, die über einen Immunitätsausweis verfügen. Also kommt jetzt der Moment, in dem es einen Sinn und eine Bedeutung erlangt, dass sich die Menschen haben impfen lassen oder die Infektion überstanden haben, und sie darüber einen Immunitätsausweis besitzen. Ich habe es mir hier aufgeschrieben, damit ich mich nicht irre, niemanden auslasse, welche Dienstleistungen man in der kommenden Woche mit einem Immunitätsausweis wird erreichen können, Mitte der Woche, um den Mittwoch, Donnerstag. Mit dem Immunitätsausweis wird man die Theater, Tanz- und musikalische Events, den Zirkus, die Kinos, die Trainings- und Fitnessstudios, die Schwimmbäder, die öffentlichen Bäder, die Eislaufbahnen, die Zoos, die Wildparks, die Abenteuerparks, die Vergnügungsparks, die (Indoor-)Spielhäuser, die Museen, die Bibliotheken und die Sportevents besuchen können.

Wie schön.

Es hört sich an wie ein normales Leben.

So ist es. Im Übrigen sind die Erfahrungen…

Verzeihung, und darüber hinaus können die Hotels öffnen. Also können die über einen Immunitätsausweis Verfügenden in die Hotels gehen, und nach den Terrassen werden auch die Innenräume der Restaurants für jene geöffnet, die über einen Immunitätsausweis verfügen.

Diese Woche haben die Kindergärten und die Unterstufe der Grundschulen geöffnet. Welche Erfahrungen sind gemacht worden?

Wir haben heute Früh Herrn Staatssekretär Maruzsa angehört, und er sagte, die Dinge hätten sich reibungsloser als erwartet gestaltet, denn es ist für die Eltern schwer, sich auf eine Situation wieder einzustellen, in der sie ihre Kinder, die sie zu Hause in völliger Sicherheit wissen, erneut in die Kindergärten und Schulen gehen lassen müssen. Doch dies ist sowohl in den Kindergärten als auch in den Schulen in einem Maß weit über fünfzig Prozent geschehen, und soweit ich das sehe, nimmt diese Zahl schön langsam zu, und sie wird meiner Ansicht nach in der kommenden Woche noch höher sein. Es gibt ja immer eine Diskussion über die Wirksamkeit der Impfstoffe und über diese Fragen, und auch heute habe ich darüber ein Referat gehört, das deutlich machte, dass die Zahl derer, die über eine Impfung verfügen und erneut erkranken, irgendwo um ein Prozent liegt. Wer also eine Impfung erhalten hat, den kann man im Wesentlichen als geschützt ansehen. Deshalb sind auch unsere Kinder in Sicherheit.

Nach Ansicht der Regierung muss man die Gefahrensituation verlängern. Anscheinend wird das die Opposition dies jetzt wieder nicht unterstützen. Wir wissen, sie hat das auch während der ersten Welle nicht getan. Während der zweiten Welle hat sie es unterstützt. Jetzt ist sie erneut dagegen. Ich weiß nicht, ob das auf Grund eines Musters so ist, oder aus welchem Grund.

Zunächst einmal sage ich auch weiterhin einem jeden – obwohl diese Zahlen ermutigend sind, und wir verspüren schon den Windhauch der Freiheit –, dass die Impfung doch auch weiterhin wichtig ist. Natürlich ist es gut, dass wir vier Millionen Menschen impfen werden, doch sind das von acht Millionen Menschen nur vier, das sind fünfzig Prozent. Gut, wiedergenesen von der Ansteckung sind bestätigt durch PCR-Tests etwa eine halbe Million Menschen, das sind vier und halb. Bis Mitte der nächsten Woche wird man also mehr als die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung bereits als geschützt erklären können. Doch sind immer noch sehr viele Menschen nicht geimpft. Die Impfung ist in Ungarn freiwillig, deshalb muss man sich dafür registrieren. Ich ermuntere einen jeden dazu, sich zu registrieren, und sich impfen zu lassen. Wir haben die Sache auch erleichtert. Wir haben jetzt eine neue Oberfläche im Internet gestartet, über die man sich einen Zeitpunkt reservieren lassen kann, das ist jetzt gar keine medizinische Notversorgung mehr, sondern eine Dienstleistung. Man geht ins Netz und reserviert sich einen Zeitpunkt, und wenn man zu dem Zeitpunkt hingeht, dann wird man die Impfung auch erhalten. Es ist also auch weiterhin wichtig, auf der Seite des Impfens zu bleiben, und es ist wichtig, dass wir die Stimme der Impfgegner irgendwie überschreien. Denn die Stimme der Impfgegner ist stark. Die gesamte Opposition, die gesamte Linke gehört im Wesentlichen dorthin. Jetzt können wir eine weitere Raffiniertheit der Impfgegner erleben. Früher waren sie offen gegen die Impfung aufgetreten. Jetzt sagen sie, sie hätten Bedenken, ob die verabreichten Impfstoffe wirksam sind oder nicht. Deshalb habe ich vorhin erwähnt, dass laut unseren Untersuchungen der Anteil der Wiedererkrankung nach der ersten Impfung um ein Prozent liegt. Und jeder Impfstoff ist gleichermaßen wirkungsvoll. Man muss also auch die Form der Ablehnung der Impfung zurückweisen, die in Frage stellt, ob die Impfstoffe effektiv sind. In den kommenden zwei-drei Wochen werden Impfstoffe in großer Menge in Ungarn ankommen. Wir können die Zahl der Geimpften im Laufe von einigen Wochen verdoppeln. Dies bedeutet – ein genaues Datum wage ich nicht anzugeben, doch das heißt –, dass irgendwann Mitte Mai die Situation entstehen kann, dass die Zahl der Registrierten und der Geimpften sich überschneidet. Also wir alle geimpft haben werden, die sich registriert haben. Dann kommen die in der Welt lebenden Ungarn, denn Impfstoff werden wir haben. Deshalb werden wir eine Aktion starten, dass wenn wir die in Ungarn lebenden Ungarn geimpft haben werden, dann wird von jedwedem Punkt der Welt der kommen können, der ein Ungar ist, und er wird den Impfstoff erhalten. Wir erweitern den Kreis der zu Impfenden noch an einem Punkt. Ich konnte mir jetzt den Bericht des Gesundheitsministers über die Impfbarkeit der Altersklasse zwischen 16-18 Jahren anhören. Es gibt eine große internationale Diskussion, eine Fachdiskussion darüber, ob man sie impfen darf oder nicht. Und wenn ja, dann womit? Heute ist der Standpunkt der ungarischen Behörde für Seuchenschutz und des Gesundheitsministers, dass die Altersgruppe zwischen 16 und 18 Jahren geimpft werden kann. Wir wagen sie nur mit Pfizer zu impfen. Deshalb habe ich heute die Anweisung gegeben, man solle soviel Pfizer-Impfstoff separieren, wie er für die Altersgruppe der 16-18-Jährigen notwendig sein könnte, und sie können diesen dann bekommen. Über den Verlauf ihrer Impfung werden wir später in einigen Tagen Informationen veröffentlichen. Dann ist die Diskussion darüber im Gange – in Israel ist nicht nur die Diskussion, sondern bereits das Impfen im Gange –, ob man die über 12-Jährigen, also die Gruppe im Alter von 12-16 Jahren impfen darf? Das trauen wir uns noch nicht zu. Wir müssen noch einige Untersuchungen durchführen, um in dieser Frage Stellung nehmen zu können, doch in Bezug auf die 16-18-Jährigen haben wir uns bereits entschieden. Wenn die Eltern dann in die Hotels, zu Sportereignissen, ins Theater, Kino oder in ein Konzert gehen, können sie dann die minderjährigen Kinder selbstverständlich mit sich nehmen, denn an den mit Immunitätsausweis besuchbaren Orten werden sich nur geschützte Menschen aufhalten und dort werden unsere Kinder nicht in Gefahr sein.

Bedeutet die Verlängerung der Gefahrensituation nicht, dass die Regierung auch weiterhin die Macht in ihren Händen konzentriert? Denn die Opposition behauptet das.

Man kann es auch so formulieren. Man muss hier nicht auf die Macht, sondern auf die Handlungsfähigkeit achten. Wichtig ist also, dass das Land funktions- und handlungsfähig bleibt. Die Gefahr der Epidemie ist nicht vorübergegangen. Wir befinden uns in einer gefährlichen Situation, das Land darf nicht handlungsunfähig sein. Das Parlament geht in die Sommerpause, und was wird dann sein? Meiner Ansicht nach ist es also notwendig, dass die Regierung im Zeitraum des Sommers handlungsfähig bleibt. Sie muss über eine breite Ermächtigung verfügen und muss alle notwendigen Entscheidungen auch dann treffen können, wenn die Abgeordneten sich gerade nicht im Parlament befinden, weil das Parlament in der Sommerpause ist. Meiner Ansicht nach haben wir also richtig entschieden, als wir diesen Antrag eingereicht haben und das Recht der Regierung zum Treffen der notwendigen Maßnahmen verlängern. Aber man kann sehen, wie wir im Übrigen Schritt für Schritt das Land neu starten. Es wird also immer weniger Beschränkungen im Alltagsleben geben, doch desungeachtet muss die Regierung noch handlungsfähig bleiben. Die beiden Dinge schließen sich also nicht aus. Es ist ja nicht so, dass das Land geschlossen bleiben würde, sondern wir starten das Land Schritt für Schritt neu, und dabei wird die Regierung über die Rechte verfügen, die zur Handlungsfähigkeit notwendig sind.

Die Zahlen gestalten sich gut, es gelingt fahrplanmäßig die Zahl der Geimpften zu erhöhen. Jetzt hat die Opposition die Taktik gewählt, täglich dreimal zu erzählen, auf der ganzen Welt würden bei uns die meisten Menschen an der Pandemie sterben, so wie sie das auch während der ersten Welle gesagt hatten. Zum Beispiel hat Tímea Szabó dies gesagt. Doch jetzt sagen das auch Ferenc Gyurcsány und Konsorten. Dabei sind hier die Daten von Eurostat, nach denen Ungarn hinsichtlich der Übersterblichkeit sich mit plus 6,6% im absoluten Mittelfeld befindet.

Man hat doch irgendwie ein schlechtes Gefühl, wenn mit der Zahl der Toten politische Kämpfe ausgetragen werden. Irgendwie ist das sehr peinlich. Die Menschen sterben also, man muss mit den Angehörigen Mitgefühl haben, wir müssen unsere Toten begraben. Also etwas mehr Respekt den Menschen gegenüber, das würde ich vielleicht sagen. Die Zahl der Toten ist nicht Gegenstand des politischen Wettbewerbs. Es ist schon schlimm genug, wenn auch nur ein Mensch stirbt. Es mag also sein, dass man mit den Statistiken nachweisen kann, ob wir oben, hinten oder in der Mitte sind, doch mir tut der Tod jedes einzelnen Ungarn weh, der im Übrigen – wenn es diese Krankheit nicht gegeben hätte – am Leben geblieben wäre. Auch er hat einen Vater, eine Mutter, oder auch er selbst ist Vater, Mutter, Kind von jemandem. Das sind also viel tiefere Dinge als die Politik. Aber trotzdem muss man darüber auf irgendeine Weise sprechen, und die Welt der Politik ist derart, dass wenn wir darüber sprechen, dann diskutieren wir auch gleich. Doch trotzdem könnten wir dies auch etwas dezenter oder mit mehr Würde tun. Ich nehme also nicht gern an der Auseinandersetzung um die Sterbestatistik teil. Ich kann Ihnen nur sagen, worauf ich achte. Ich habe es also bis jetzt auch getan, und tue es auch im Weiteren, dass die Europäische Union eine Oberfläche für Daten aus allen Mitgliedsstaaten besitzt, auf der sie mitteilen, wie viele Menschen im Vergleich zum letzten „Friedensjahr“ in dem Jahr mit COVID verstorben sind. Das teilen sie auch aufgegliedert nach Monaten, aber auch nach Quartalen mit. Manchmal vielleicht sogar in wöchentlicher Gliederung. Dies bedeutet, dass dies eine tatsächliche Zahl ist, die zeigt, wie viele Leben wir im Vergleich zu dem letzten „Friedensjahr“ verloren haben. Und wenn wir es so betrachten, dann ist Ungarn – natürlich kann man hier nicht gut stehen –, dann befindet sich Ungarn in einer erträglichen Position, es gehört eher zu den Ländern mit einem besseren Ergebnis, wo also eher weniger Menschen gestorben sind. Die ungarische Datenerfassung folgt einer anderen Logik. In Ungarn machen wir keinen Unterschied dazwischen, ob jemand an COVID oder mit COVID verstorben ist, wir unterscheiden also nicht, ob jemand deshalb verstorben ist, weil er die Infektion erhalten hat oder im Übrigen auch noch an etwas erkrankt war, das seinen Tod bedeutete, er aber in der Zwischenzeit auch noch mit COVID angesteckt worden ist. Ich nenne ein ganz einfaches Beispiel. Wenn jemand eine akute Magenblutung kriegt und stirbt, und in der Zwischenzeit stellt sich heraus, dass er auch mit COVID infiziert war – die beiden Dinge haben nichts miteinander zu tun –, da halten wir ihn als COVID-Todesfall fest, denn die ungarische Gesundheitsstatistik ist so. Das haben wir auch schon ganz zum Anfang gewusst. Ich habe auch unsere sich damit befassenden Experten gefragt, warum das so ist? Worauf die sehr klare Antwort war, dies sei schon immer so gewesen, wir die Daten auf eine sehr konservative Weise führen, und die Experten wollten an diesem System nichts ändern. Es läuft also auch im Weiteren auf diese Weise. Also noch einmal, der Unterschied zwischen den an COVID und den mit COVID Verstorbenen erscheint bei uns nicht. In den europäischen Statistiken schon. Deshalb verfolge ich lieber jene.

Wenn wir uns die Frage des Impfstoffs betrachten, dann ist es erfreulich, wie viel Impfstoff auch in dieser Woche und auch in der kommenden Woche nach Ungarn kommt. Jedoch stimmt es nachdenklich, dass die WHO den Sputnik V Impfstoff gemeinsam mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur untersuchen wird. Es ergibt sich die Frage, was die Europäische Arzneimittel-Agentur bisher getan hat. Warum ist dazu die Weltgesundheitsorganisation nötig, damit die Europäische Agentur diesen Impfstoff zu untersuchen beginnt, während auch Angela Merkel vor etwa zwei Monaten oder so gesagt hatte: „Bitte, beginnen Sie damit!“

Das sind nun komplizierte Dinge. Hier ziehen sich zu viele Interessen im Hintergrund dahin, und diese Gesichtspunkte haben sich miteinander vermischt. Denn einerseits sind hier die Interessen der Pharmafabriken. Ich weiß also nicht, aber wenn ich die eine oder die andere weltweite Kampagne gegen einen Impfstoff sehe, dass man dessen Wirkung anzweifelt, ob dahinter tatsächliche wissenschaftliche Ergebnisse stehen oder ob es sich nur um Kommunikationsstrategien der Pharmafirmen handelt? Die erste Sache ist Geld, Geld, Geld. Das sind globale Multifirmen. Das zweite ist der Umstand, dass man in Europa die Politik, die Geopolitik in die Angelegenheit des Impfstoffs hineingetragen hat, nach der der westliche Impfstoff gut sei, der östliche schlecht – eben wie bei Orwell „Vierbeiner gut, Zweibeiner schlecht“. Deshalb hat die Politik die Gesichtspunkte der Humanität überschrieben. Das ist meiner Ansicht nach ein Problem. Ungarn fügt sich in diese Reihe nicht ein. Wir haben hier bereits zu Beginn sehr deutlich gesagt, dass es für uns nur den Menschen und das Menschenleben gibt. Es gibt keinen westlichen und östlichen Impfstoff. Es gibt guten und wirkungsvollen, mit dem wir das Leben der Menschen retten, und es gibt ungeeigneten, und es gibt die Situation, in der es überhaupt keinen Impfstoff gibt. Und wir haben die Angelegenheit durch diese Brille betrachtet. Mich interessiert es nicht, wie ich das bereits Ihnen gesagt hatte, ob die Katze ein weißes oder schwarzes Fell besitzt, mich interessiert, dass sie die Maus fängt. Man darf die Dinge nicht miteinander vermischen. Wenn es also um Leben geht, muss man Leben retten, wenn es um die Gesundheit, die Epidemie geht, dann darf man daraus keine Politik machen. Auch hier zu Hause dürfte man es so nicht, wie es die Linke macht, aber auch im Weltmaßstab sollte man es nicht tun dürfen, wie das so manche der westlichen Länder getan haben. Natürlich bekommt die Sache auch dort Risse, denn wie wir das bei den Deutschen sehen können, sagen immer mehr Stimmen, man solle die politischen Gesichtspunkte beiseite legen und dann russischen Impfstoff kaufen. Und danach werden sie dann sagen, man solle auch den chinesischen kaufen. Wir kennen diese Sache also. Doch ist die Frage, was die Lehre aus alldem für die Ungarn ist. Für die Ungarn ist meiner Ansicht nach die Lehre, dass wir aus dem Grund gegenwärtig mit dem Impfen sehr gut dastehen, da Ungarn ein Land ist, dem niemand vorschreiben kann, was es tun soll oder was es nicht tun soll. Wir werden auf Grundlage eines einzigen Gesichtspunktes entscheiden, wenn gehandelt werden muss: entsprechend unserer nationalen Interessen. Und wenn wir das tun, dann haben wir eine größere Chance, gute Entscheidungen zu treffen, als wenn wir zulassen, dass andere uns sagen, was wir zu tun haben.

Bald wird die Modifizierung des Haushaltes für 2021 vor dem Parlament liegen und dann folgt das Budget für 2022. Kann man jetzt schon mit Sicherheit wissen, dass letzterer mit Sicherheit nicht modifiziert werden muss? Wie planen Sie? Natürlich kann niemand in die Zukunft schauen, aber es gibt Pläne, was zeigte Mihály Varga?

Ich kann in der Hinsicht nicht klagen, dass das ungarische Rechtssystem großzügig und weise ist. Es lässt der Regierung und dem Parlament Spielraum, um den Haushalt modifizieren zu können. Und das ist meiner Meinung nach in solchen Not- und Gefahrensituationen besonders gut. Natürlich gibt es die Anforderung der Transparenz und eine Haushaltsdisziplin wird benötigt, doch braucht man auch Flexibilität. Diese Gesichtspunkte verbindet das ungarische System auf gelungene Weise. Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass wir in den kommenden Monaten nicht mit der einen oder anderen Verordnung den einen oder den anderen Haushaltsposten nicht werden modifizieren müssen. Dies wird dann das Leben entscheiden. Wir werden uns der sich verändernden Lage anpassen, doch haben wir Möglichkeiten für alle Fälle. Das Jahr 2021, also der jetzt eingereichte Vorschlag zur Modifizierung des Haushaltes zielt auf den Neustart der Wirtschaft ab. Und in dem Jahr 2022, dessen Haushalt wir in Kürze einreichen werden, geht es dann ebenfalls um den Neustart der Wirtschaft. Jetzt achte auch ich noch natürlich in erster Linie auf die Gesundheit und die Statistik der Sterbefälle und den Zustand der Krankenhäuser sowie die Zahl der Impfungen. Achtzig Prozent auch meines Denkens werden davon beansprucht, aber schön langsam verändert sich der Anteil, und im Denken von uns allen wird die Frage des Neustarts der Wirtschaft in den Vordergrund treten. Und wir haben den 2021-er Haushalt aus dem Grund modifiziert, damit er dem Neustart der Wirtschaft besser dienen kann. Denn wir haben ja gewaltige Programme zur Renovierung und zum Bau von Wohnungen gestartet, den in Probleme geratenen Unternehmen haben wir ernsthafte Hilfe geleistet. Mehrere hundert Milliarden Forint sind für sie in Form von Neustartkrediten erreichbar. Es gibt zinslose für die Kleinunternehmen. Es ist also mit sehr vielen Dingen begonnen worden, wir werden die Lohnunterstützung für die Gastronomen auch für den Mai auszahlen, obwohl sie – wie ich das vorhin gesagt habe – am Ende dieses Monats ihre Arbeit nicht nur auf den Terrassen, sondern auch in den Innenräumen wiederaufnehmen können, so auch in den Hotels. Doch wir werden den Mai trotzdem bezahlen. Jetzt fordert also auch schon die Logik des Neustarts der Wirtschaft für sich ihren Platz in unserem Leben.

Heute führen Sie Gespräche in Brüssel über den EU-Wiederaufbauplan. Haben Sie sich mit der Opposition abgestimmt? Denn Gergely Karácsony hat seinen Brief an die Kommission bereits im Voraus geschrieben, laut dem die Regierung in dieser Frage nicht mit allen betroffenen Seiten konsultiert.

Den Verlauf der Abstimmung zwischen den beiden Seiten halten in Ungarn die Rechtsvorschriften klar fest. Diesen hat sich die Regierung immer schon unterworfen. Wir werden sie auch hiernach befolgen. Diese hat die Staatskanzlei geleitet. Meiner Ansicht nach sind sie auf adäquate Weise durchgeführt worden. Was die heutigen Gespräche in Brüssel angeht, so will ich dort eigentlich über nichts verhandeln, denn im Wesentlichen sind die finanziellen Fragen als geordnet anzusehen. Es gibt drei-vier Angelegenheiten, die offen sind. Diese werden dann die Experten abschließen. Mich interessieren vielmehr die Fragen hinsichtlich der Zukunft der Europäischen Union. Vergessen wir nicht, dass wir hier vor großen Veränderungen stehen, denn die Europäische Union startet ein gemeinsames Programm zum Umgang mit der Wirtschaft und der Krise, wie es früher noch nie eines gegeben hat. Ich möchte wissen, ob dies ein singulärer Fall ist oder ob sich das wiederholen wird. Ich möchte sehen, wie sich die EU auf eine eventuelle, der gegenwärtigen ähnelnde Pandemiesituation vorbereitet. Welche Lehren haben sie aus dem gezogen, was sie in den vergangenen Monaten getan haben? Ich möchte sehen, wie sich der Kontakt mit der neuen amerikanischen Administration gestalten wird, und ob Ungarn bzw. die Europäische Union dann nun zwischen China und Amerika eingezwängt wird, oder wie das Herr Präsident Macron sagte, ob sie eine strategische Souveränität oder Autonomie besitzen wird, und wir nicht einfach den Amerikanern folgen, sondern eine eigene Linie besitzen werden. Das sind alles große Fragen. Ich muss eher über diese sprechen. Ich will hier nicht lang und breit über mein Metier reden, doch auch die Leitung besitzt ihr eigenes Regelsystem, das ein jeder leicht begreifen kann, denn viele Menschen besitzen eine Fahrerlaubnis. Wenn man das erste Mal vom Übungsplatz hinausgelassen wird, damit man sein Können auch auf den öffentlichen Straßen ausprobieren kann, lautet der erste Satz des Fahrlehrers, zumindest war das damals so, als ich noch meinen Führerschein gemacht habe, man solle nicht vor die Reifen blicken, denn dann wird man das Lenkrad hin- und herreißen, und dann wird das Auto hin- und herfahren, und am Ende wird es Probleme geben, sondern ich solle nach vorne blicken und das Lenkrad dementsprechend bewegen. Das ist in der Politik genauso. Ich fahre jetzt also aus dem Grund nach Brüssel, um nach vorne schauen zu können, damit ich die Regierung dementsprechend bewegen kann.

Morgen haben wir den Tag des Heiligen Georg, den Tag der Polizisten. Auch sie haben sehr viel gearbeitet, damit in der Situation der Pandemie alles an seinen Ort kommt bzw. damit das, was in Unordnung gekommen ist, irgendwie noch funktionsfähig bleibt. Wie bewerten Sie die Arbeit der Polizei?

Schauen Sie, ich komme aus der antikommunistischen Welt der Straßenkämpfer, aus der zweiten Hälfte der achtziger Jahre, als wir den Polizisten noch zugeschrien haben, „Wir haben Euch Yamahas gekauft!“, und eher gedacht haben, sie stünden auf der Seite der Diktatur und sie verkörperten die unterdrückende Macht. Dies ist also noch nicht so lange her, das war vor dreißig Jahren. Und im Vergleich dazu, dann sehe ich, wenn ich mich betrachte oder in mich gehe oder mich einfach nur im Land umsehe, dann sehe ich, dass die Menschen in der Polizei keine Organisation zur Unterdrückung sehen, sondern wortwörtlich genau das, was ihr ungarischer Name „rendőrség“, also „Ordnungswacht“ aussagt. Das Ungarische ist eine ausdrucksstarke Sprache, und der Polizist ist ja der Wächter der Ordnung. Und wir wissen schon genau, dass wenn es keine klare Ordnung gibt, dann gibt es auch keine Freiheit. Der, der die Ordnung verteidigt, das ist der Polizist, der zugleich auch unsere Freiheit verteidigt. Vor dreißig Jahren haben wir das genaue Gegenteil dessen gedacht, doch jetzt ist das die Situation. In einer Demokratie muss das auch so sein. Meiner Ansicht nach ist also der Platz der Polizei in den Köpfen der ungarischen Menschen unter die respektablen Beschäftigungen zu finden, und auch mein persönliches Erleben stimmt damit überein. Jetzt während der Krise musste ich sehr viel Zeit mit ihnen verbringen. Wir haben ja sehr viel über die Ärzte und die Krankenschwestern gesprochen, jedoch weniger über die Polizisten, die ja auch die Grenzwacht, den Grenzschutz versehen. Man musste gleichzeitig den Schutz der Grenze gegen die Migranten versehen, und dabei mussten sie wegen der Krise, der Pandemielage auch die strengeren Grenzwachtmaßnahmen durchführen. Wir sind langsam so über diesen einjährigen Halbkriegszustand hinweggekommen, dass sich die öffentliche Ordnung in Ungarn nicht aufgelöst hat, die Zahl der Straftaten spürbar nicht gewachsen ist, und niemand das Gefühl gehabt hat, Ungarn würde in Richtung Chaos abdriften, nur weil sich im Übrigen eine Notsituation oder eine Pandemiesituation herausgebildet hat. Dass dem nicht so war, wir nicht Richtung Chaos geschritten sind, nicht einmal Anzeichen dafür gesehen haben, ist unseren Polizisten zu verdanken. Also wenn wir fair und wenn wir gerecht sind, dann müssen wir neben die Ärzte und die Krankenschwestern auch immer unsere Polizisten hinzudenken oder erwähnen, und man muss mit großem Respekt Dank für ihre Arbeit sagen.

Vielen Dank! Sie hörten Ministerpräsident Viktor Orbán.