Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen Ungarn” von Radio Kossuth
5. März 2021

Katalin Nagy: Am Donnerstag hat die Regierung Einschränkungen beschlossen, Details wurden für den Freitag, für heute versprochen. Ich begrüße im Studio Ministerpräsident Viktor Orbán. Wir haben auf eine Lockerung gehofft, doch es kommt eine Verschärfung. War das notwendig?

Guten Morgen! Ich begrüße die Zuhörer! Wir hatten keine andere Wahl. Das sind ja spezielle Fragen des Seuchenschutzes, was geschehen wird, welche Tendenzen es gibt, was wodurch vorangetrieben, was wodurch in die Höhe getrieben wird und wodurch es abnimmt. Es waren die Experten für den Seuchenschutz, die wir uns auch in mehreren Gruppen angehört haben, und sie haben sehr eindeutig formuliert, sie sagten, es würde zu einer Tragödie kommen, wenn wir nicht Schritte unternehmen. Wir haben hier jetzt also keine Zeit zu verlieren. Die Regierung hat sich diese Ausführungen angehört und sie akzeptiert. Die Ärzte sagten also, um später öffnen zu können, müssen wir jetzt schließen. Mir gefällt diese Formulierung nicht, aber das ist beinahe egal, denn es erinnert mich an meine Jugend, dort sagte man im Marxismus-Leninismus-Unterricht, der Staat werde auf die Weise absterben, dass er zuerst erstarkt. Also hatte auch ich meine Bedenken einer solchen Annäherung gegenüber, aber das ist die Lage: Wir müssen jetzt schließen, damit wir um Ostern öffnen können. Bis zum 15. März halten wir die Konsultation geöffnet, bis dahin werden alle Meinungen ankommen, und in der Woche nach dem 15. März werden wir es planen, mit was für Schritten wir zu Ostern sukzessive werden dann öffnen können. Das ist im Großen und Ganzen der zeitliche Horizont der Aktion.

Welche Verschärfungen gibt es noch? Denn darüber haben wir ja gehört, dass die Schulen und die Kindergärten für einen Monat, die Geschäfte für zwei Wochen geschlossen werden, mit den gewohnten Ausnahmen, den Drogerien, den Apotheken und den Lebensmittelgeschäften. Wie gestaltet sich die Situation bei den Dienstleistungen?

Zunächst einmal ist das, worin wir uns jetzt befinden, die dritte Welle. Soviel können wir jetzt schon sagen, dass die zweite Welle stärker war als die erste, und diese dritte stärker sein wird, als es die zweite gewesen war. Dies bedeutet, dass wir uns auf den schwierigsten Zeitraum vorbereiten müssen, auch die Maßnahmen müssen sich dieser Tatsache angleichen. Deshalb haben wir beschlossen, die sich bisher auf die Mittelschulen beziehende Regelung aufrechtzuerhalten, es gab den digitalen Unterricht ja auch in den vorhergehenden Monaten. In den Volksschulen wird es genauso sein und auch in den Kindergärten. Über die Kinderkrippen haben wir lange nachgedacht, wir haben uns die Zahlen angesehen, wir haben Berechnungen angestellt, es kann sein, dass auch die Kinderkrippen geschlossen werden müssen, doch zeigen dort die Infektionen eine derart niedrige Zahl, dass wir versuchen, sie geöffnet zu lassen. Bei den Dienstleistungen ist die Situation, dass das, was für das Leben notwendig ist, das muss weitergehen: Lebensmittelläden, Geschäfte, die die notwendigen Gerätschaften für die Gartenarbeit im Frühling, die zur Arbeit notwendigen Instrumente verkaufen, bleiben geöffnet, aber alles andere, also die Restaurants, Casinos, Hotels, die technische Artikel und Unterhaltungselektronik verkaufenden Geschäfte, sie alle müssen schließen. Am schwierigsten war die Regel für die Blumenläden, denn die armen Blumenhändler wirtschaften ja auf Grund der Lagerbestände, jetzt ist ihnen ein Wochenende geblieben, hinzu kommt noch, dass am 8. März Frauentag ist. Aus diesem Anlass grüße ich die ungarischen Mädchen und Frauen recht herzlich. Also am 8.-en, am Montag, wenn der Frauentag ist, können die Blumenläden noch geöffnet bleiben, damit wir Sie mit Blumen an diesem Tag beglückwünschen können, und die Blumenhändler noch ihre Bestände verkaufen können, doch danach müssen auch sie dann schließen. Das ist für sie eine sehr schwierige Sache, nicht nur für den einen oder anderen Dienstleistungszweig, sondern das ist für alle schwierig. Deshalb war gestern zu der Regierungssitzung das Finanzministerium auch schon mit Vorschlägen gekommen, damit wir die Lohnunterstützung, die wir zuvor nur für die mit dem Tourismus zusammenhängenden Zweige angewandt haben, jetzt diese Unterstützung auf alle Zweige ausdehnen, die jetzt von diesen Beschränkungen betroffen sind. Und sie erhalten auch eine Steuervergünstigung, die Kleinunternehmer müssen in diesem Zeitraum keinen Steuervorschuss zahlen, den Mietern von Geschäftsräumlichkeiten, die im Besitz der kommunalen Selbstverwaltung oder des Staates sind, erlassen wir für diesen Zeitraum die Miete, und zwar nicht nur für diese zwei Wochen, in denen wir schließen werden, sondern wir werden sie für den gesamten Monat März erlassen, sie erhalten für den gesamten Monat März auch die Lohnunterstützung und auch die Steuervergünstigungen.

Müssen sie auch um die Lohnunterstützung bitten?

Wir werden es so machen, wie wir es bei den Hoteliers und den Restaurantbesitzern gemacht haben, wir werden jenes System erweitern.

Mit welchen Einschränkungen sollen wir im Bereich des Reisens rechnen?

Bei den Reisen ist es so, dass wir in Europa vorerst die gegenwärtige Ordnung aufrechterhalten, im Übrigen befinden wir uns in einer strengen Ordnung. Hier haben wir vielmehr damit ein Problem, dass Mutanten nach Ungarn gelangen oder eingeschleppt werden nach Ungarn durch unsere von exklusiven oder besonderen Ferienorten heimkehrenden Landsleute: Tanganjika, Malediven, Dubai, dabei ist die Durchimpfung der Menschen dort am höchsten. Trotzdem bitte ich jetzt einen jeden: Verschieben Sie Ihre an diese gefährlichen Orte geplanten Luxusurlaube! Nicht weil wir sie um so etwas beneiden würden, denn wenn sie Geld haben, dann tun sie es nur, sondern es geht darum, dass sie solche Viren mit nach Ungarn bringen könnten, die bisher unbekannte Mutanten sind, und hier können sie andere Menschen in Probleme bringen; nicht sich selbst, sondern andere Menschen. Das ist bereits in mehreren Fällen geschehen, ich bitte also hier einen jeden nachdrücklich darum, diese Reisepläne zu verschieben.

Professor Merkely sagte, an der Semmelweis Universität gäbe es jetzt genau so viele, ja sogar etwas mehr Kranke als es im November waren. Dies ist doch ein warnendes Zeichen, und da stellt sich die große Frage, ob das Gesundheitswesen diese Belastung aushalten wird, umso mehr, da die im Gesundheitswesen Arbeitenden den Vertrag über das neue Dienstverhältnis im Gesundheitswesen nicht zu 100, sondern nur zu 96,3 Prozent unterschrieben haben.

Ich komme von der Sitzung des Operativen Stabes, in der Früh und am Morgen haben wir uns die ganze Zeit mit diesen Fragen beschäftigt, denn im Zusammenhang mit den Impfungen gibt es zwar eine gewisse technische Störung, aber im Großen und Ganzen ist der Impfplan in Ordnung, wir kommen gut voran. Wir haben 862.953 Personen geimpft, die Registrierung nimmt schön zu, man kann die Impfung nicht zu einer Pflicht machen, sie bleibt auch weiterhin freiwillig, und es haben sich bis heute Früh jetzt schon 2.813.668 Personen registriert, diese Zahl steigt also schön an, soweit ich das sehe, wird es damit keine Probleme geben. Laut der Tabelle, aufgrund der ich arbeite, werden wir in der ersten Aprilwoche – wir werden jetzt übrigens jeden Tag impfen, ja wir werden selbst zu Ostern impfen – da werden wir dann zwei Millionen vierhunderttausend Impfungen erreicht haben, bis Anfang Mai werden wir die Zahl von vier Millionen siebenhunderttausend erreichen, dann werde ich sehen, woher wir noch Impfstoff besorgen können, doch bis Anfang Juli können wir schon über die Zahl von 8 Millionen kommen, was bedeutet, dass wir im Prinzip einen jeden geimpft haben, dieser Teil der Angelegenheit wird also in Ordnung sein. Zurzeit sehe ich das Übel nicht hier, dies haben die öffentliche Verwaltung, die Fachleute des Gesundheitswesens und die Hausärzte sowie die Krankenhäuser fest im Griff. Wo jetzt der Druck groß sein wird und wo wir uns auf die dramatische Situation, auf dramatische Herausforderungen vorbereiten müssen, das sind die Krankenhäuser. Denn die Zahl derer wird enorm ansteigen, die dann in den Krankenhäusern gepflegt werden müssen. Auch heute gab es 6.369 Neuinfizierte, wir haben 143 unserer Landsleute verloren, an Beatmungsgeräte angeschlossen sind 677 Menschen, und das Durchschnittsalter der Verstorbenen liegt bei 75,5 Jahren, es sind also noch immer die Alten sehr stark in Gefahr. In den Krankenhäusern liegen 6.867 Menschen, na, diese Zahl wird ansteigen. Sie kann bis etwa in die Höhe von 15 tausend ansteigen, ja eventuell sogar auch bis zwanzig. Was wir heute Früh getan haben, war, dass wir die Krankenhauskommandanten und den Ungarischen Krankenhausgeneraldirektor dazu angehört haben, wie wir mit der Situation umgehen werden. Dazu sind Krankenhausbetten notwendig, dazu braucht man Beatmungsgeräte und Menschen. Hinsichtlich der Menschen werden wir mit der Beorderung arbeiten, außer den inneren Reserven werden wir auch zwischen den Krankenhäusern die niedergelassenen Ärzte und die absolvierenden Medizinstudenten umbeordern bzw. in die Arbeit einbeziehen. Und es kann dazu geschehen, dass es auch zur obligatorischen Einbeziehung der im Privatgesundheitswesen Arbeitenden kommt. Auch jetzt in diesen Minuten arbeiten die Fachleute an den Einzelheiten solch eines Planes zur Einbeziehung. Es wird genug Betten, es wird ausreichend Beatmungsgeräte und es wird auch genug Menschen geben.

Am Sonntag haben Sie die erste Impfung erhalten. Hatten Sie irgendeine Reaktion auf die Impfung?

Ich bin reingegangen zu arbeiten, vielleicht stimuliert das einen.

Gab es keinerlei Probleme?

Nein. Schauen Sie, natürlich verstehe auch ich nichts davon. Es gibt hier fünf Arten von Impfstoff, man kann nur sehr schwer entscheiden, worauf man vertrauen soll. Denn man kann auf verschiedene Arten denken. In unserer gesamten Kindheit sind wir mit sowjetischen Vakzinen geimpft worden, deshalb ist man gegenüber der russischen nicht misstrauisch. Das Virus hat sich von China aus verbreitet. Jetzt sagen die Chinesen, es sei dorthin auch eingeschleppt worden, das wissen wir nicht genau, doch ist sicher, dass man dort das Virus die längste Zeit kennt, und sie arbeiten auch mit der traditionellsten Methode, soviel habe ich schon verstanden, ein abgeschwächtes Virus erhält man, so wie wir daran gewöhnt sind, und deshalb denke ich, da dies ein abgeschwächtes Virus ist, enthält der Impfstoff in meinem Körper auch alle seiner Elemente, und ich werde gegen alle möglichen Probleme, auch gegen Mutanten Antikörper produzieren. Ich hoffe darauf, deshalb habe ich den chinesischen gewählt. Zugleich ist da auch Frau Katalin Karikó, mit der ich telefoniert habe, sie sagte, man muss nicht das ganze, sondern nur einen Teil loslösen, mit anderen, neuen Methoden. Wer also auf die Neuerungen der Wissenschaft vertraut, für den ist die Technologie von Pfizer da. Es gibt also viele Möglichkeiten, ich gehöre zu den Altmodischen, so wie ich bisher in solchen Fällen geimpft worden bin, so eine Methode habe ich mir jetzt gewählt, deshalb habe ich mich für den chinesischen Impfstoff entschieden. Im Übrigen liefern die Chinesen einwandfrei. Unsere Bestellungen über die Europäische Union sind tragisch, diese verspäten sich ständig, werden neu terminiert. Die russischen halten im Großen und Ganzen…

Damit verweisen Sie darauf, dass es hier irgendein technisches Problem im Zusammenhang mit der Impfung gibt?

Nein, das ist ein anderes Problem im Zusammenhang mit der Impfung. Lassen Sie mich zuerst den ersten Punkt abschließen. Die Chinesen liefern also rechtzeitig, die Russen halten das Tempo im Wesentlichen ein, es gibt kleinere Verzögerungen. Die aus dem Westen bestellten Impfstoffe, die aus der Verteilung der EU kommenden Impfstoffe sind unzuverlässig – also in dem Sinn, wann und wie sie ankommen. Jetzt haben wir natürlich ein Problem im Zusammenhang mit der Impfung, das hängt aber nicht mit den Impfstoffen zusammen, sondern mit technischen Fragen. Bisher haben wir ja so geimpft – wir haben in kleiner Zahl geimpft, jetzt impfen wir in größerer Zahl –, dass die Hausärzte geimpft haben und sie kennen ihre Patienten persönlich. Sagen wir also, die Impfung basierte auf persönlicher Bekanntschaft. Jetzt, da wir massenhaft impfen, müssen wir uns auf das auf Daten basierende Impfen umstellen. Jetzt ist es bei dem auf Daten basierenden Impfen so, dass wenn die Daten nicht stimmen, dann stimmt leider gar nichts, denn dies ist die Grundlage für alles. Und hierbei kommt es vor, dass Menschen zum Impfen gerufen werden, die schon geimpft worden sind. Wir haben auch die Nachricht erhalten, dass man jemand an einen von seinem Wohnsitz weit entfernten Punkt bestellt hat, sodass das gesamte System angehalten werden musste, heute Früh haben wir dies auch entschieden, und die Daten müssen durchkontrolliert werden. Sehr viele Menschen wohnen ja nicht dort, wo laut der Daten im Übrigen ihr ständiger Wohnsitz ist. Dann gibt es viele Menschen, die schon seit Jahren nicht mehr bei ihrem Hausarzt waren, inzwischen hat sich ihr Wohnsitz geändert, sie sind also irgendwie aus dem System gefallen, und in vielen Fällen stimmen auch die Verzeichnisse der Wohnadressen nicht. Es gibt also Probleme bei der Organisierung des auf Daten basierenden Impfens. Diese werden wir jetzt beheben. Heute haben wir entschieden, dass eine gesonderte operative Kleingruppe aufgestellt wird, um diese Dinge zu korrigieren, denn so wie das Impfen massenhaft wird, reicht das auf persönlicher Bekanntschaft beruhende Bestellen zur Impfung nicht mehr aus.

Auch auf dem Impfplan…

Verzeihung, sehr wichtig ist, dass wir eine Telefonnummer haben – ich habe Frau Cecília Müller darum gebeten, diese Nummer jeden Tag vor den Kameras zu nennen –, unter der man unmittelbar angeben kann, wenn jemand irgendein Problem im System oder auch auf sich selbst bezogen bemerkt. Dort wird man Ratschläge geben, was und wie getan werden muss, damit wir den Fehler korrigieren können.

Können wir diese Nummer jetzt nennen?

Nein, leider habe ich sie nicht hier bei mir.

Frau Müller wird sie schon nennen. In Ordnung. Man musste ja auch den Impfplan gerade aus dem Grund modifizieren, damit möglichst schnell möglichst viele Menschen zumindest die erste Impfung erhalten. Hat dies ein Problem dargestellt?

Noch nicht. Wir verfolgen die wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Hier gibt es ja ein Problem des Weltwissens, dass nur wenig Zeit vergangen ist, seitdem wir die Impfstoffe anwenden. Deshalb verfügen wir über geringe praktische Kenntnisse. Da ist zum Beispiel die Frage, wann man am besten nach der ersten Impfung die zweite verabreicht, hierzu gibt es sich verändernde wissenschaftliche Standpunkte. Jetzt ist es gerade der wissenschaftliche Standpunkt, dass man nicht erschrecken soll, es ist auch nach 21 Tagen möglich. Bei dem chinesischen Impfstoff bestehen zum Beispiel wir auf die nicht mehr als 28 Tage – dies haben wir heute mit Frau Cecília Müller, der Obersten Amtsärztin geklärt, dass man da darauf bestehen muss –, jedoch bei den westlichen Impfstoffen sagen die wissenschaftlichen Analysen ständig, dass zwischen den beiden Impfungen auch ein größerer Zeitraum verstreichen kann. Deshalb lagern wir die zweite Impfung im Fall der westlichen Impfstoffe nicht ein, sondern verimpfen sie, denn wir sehen, dass 28-35 Tage, ja in bestimmten Fällen auch 40 Tage möglich sind. Hierfür erarbeitet die Leitung des Gesundheitswesens, die Oberste Amtsärztin gesonderte Protokolle und dementsprechend werden Hausärzte bzw. die in den Krankenhäusern impfenden Ärzte verfahren.

Wir haben ja darüber gesprochen, dass Sie den chinesischen Impfstoff erhalten haben. Sie wissen doch, dass manch ein linker Politiker es nicht glaubt, dass das chinesischer Impfstoff war? Das ist der eine Teil der Frage, und der andere lautet: Zugleich muss man sehen, dass sich auch andere europäische Länder dem russischen Impfstoff zuwenden oder den chinesischen Impfstoff kaufen möchten.

Ich beneide die Linke um ihre Probleme. Ich sehe vorerst nur, dass die ungarische Linke gegen die Regierung kämpft, anstatt gegen das Virus. Meiner Ansicht nach ist das ein Fehler. Alle müssten gegen das Virus kämpfen.

Aber es ist erkennbar, wie sie ihre Meinung geändert haben, denn vorgestern sagten sie noch, wir sollten öffnen, jetzt sagt schon ein jeder, wir sollten lieber zuschließen.

Das ist so, dass es davon abhängt, was ihnen von Brüssel aus gesagt wird. Wenn ihnen also aus Brüssel gesagt wird, der russische Impfstoff sei schlecht, da sagen sie, der russische Impfstoff sei schlecht. Wenn es sich in Brüssel herausstellt, dass man auch über den russischen Impfstoff nachdenken müsste, da denken auch sie darüber nach. Wenn gesagt wird, der russische Impfstoff sei gut, da sagen sie: „Hurra! Es komme der russische Impfstoff.“ Die Situation ist also die, dass man sich auf zweierlei Weise zur europäischen Politik in ein Verhältnis setzen kann. Man kann die nationale Richtung wählen, wir stehen auf dieser Grundlage. Wir senden unsere Abgeordneten nach Brüssel, damit sie Ungarn und die ungarischen Menschen in Brüssel vertreten. Die Linke beschreitet den entgegengesetzten Weg, sie denken auf die Weise, dass sie Brüssel, dass sie Europa in Ungarn vertreten. Das ist eine andere Denkweise, das hat zum Ergebnis, dass sie immer erst abwarten, damit ihnen aus Brüssel mitgeteilt wird, was der Stand der Dinge, was die Leitlinie ist, und danach vertreten sie das. Das war früher so, denn in Moskau hatte man gesagt, was die Leitlinie ist, und sie haben es dann in Budapest wiederholt. Jetzt geschieht das Gleiche, nur die Hauptstadt hat gewechselt. Wir haben Moskau widerstanden, und jetzt sagen wir auch in Brüssel „nein“, wenn das das Interesse der ungarischen Menschen erfordert.

Was ist Ihre Meinung darüber, dass der Tenor seitens der führenden Politiker der europäischen Länder immer stärker wird, laut dem etwas getan werden muss, Schritte unternommen werden müssen, damit die Europäische Kommission endlich den Verträgen Gültigkeit verschaffen kann und jene Impfstofflieferungen endlich in Ordnung ankommen. Auch Sie haben darauf hingewiesen, dass auch nach Ungarn nicht so viel und nicht zu dem Zeitpunkt kommt, zu dem es versprochen worden war. Kann man hieran etwas verbessern?

An irgendeinem Abend habe auch ich, jetzt nach den vielen Diskussionen, mit den Augen des Juristen die Verträge durchgesehen, die die Kommission mit den großen westeuropäischen Pharmaherstellern abgeschlossen hat. Ich sage nicht, sie seien ein Pfusch, denn das wäre vielleicht unfair, denn sie haben viel daran gearbeitet, allerdings sich nicht darauf konzentriert, worauf sie sich hätten konzentrieren müssen. In einer Anwaltskanzlei, glaube würde man einen Anwaltsanwärter, der solche Fehler macht, nicht anstellen oder man würde ihn ziemlich schnell wieder wegschicken. Die Einhaltung unserer Verträge ist nicht erzwingbar, das ist das Problem. Das hat also Brüssel verhandelt. Wir haben uns noch irgendwann im Sommer zusammengesetzt, und haben eine Entscheidung getroffen, ob jedes Land selbst bei den Pharmaherstellern hausieren geht und selbst Verträge abschließt, oder wir dies Brüssel anvertrauen, dies auszuhandeln, vermutlich kann es schneller Impfstoff besorgen; vermutlich kann es, da es in großer Menge bestellt, billiger einkaufen, und dann aufgrund einer gerechten Quote, was im Übrigen auch gut aussieht, eine ehrliche und faire Quote, entsprechend dieser werden wir dann die durch Brüssel erworbenen Impfstoffe untereinander, im Verhältnis zur Einwohnerzahl verteilen. Das war der Plan. Wir haben sie damit entlassen, dass sie einen diesen Zielen dienenden Vertrag abschließen sollen. Sie sind auch gegangen, und haben auch die Verträge abgeschlossen. Und jetzt kommt der Impfstoff nicht, das ist die Situation.

Sie sagten, wir schicken unsere Abgeordneten nach Brüssel, um den ungarischen Standpunkt zu vertreten. Anscheinend ist dies nicht der Ausgangspunkt in der Europäischen Volkspartei.

Das ist eine traurige Geschichte. Im wahrsten Sinne des Wortes führt jeder Ministerpräsident in ganz Europa einen Kampf auf Leben und Tod, um die Bürger seiner Nation, seines Staates vor dem Virus zu schützen, und in der Zwischenzeit beschäftigen sich in dieser Brüsseler Blase manche damit, wie man durch eine Statutenänderung die eine oder die andere Mitgliedspartei in eine schwierige Lage bringen kann. Uns zum Beispiel. Wir sagten darauf: „Na, vielen Dank, damit reicht es.“

Na, aber darin steckt doch auch ein gewisses Maß an persönlicher Rache von Manfred Weber. Obwohl er sagte, in seiner politischen DNA sei der Bau von Brücken enthalten. Dieser Satz hört sich sehr schön an, nicht wahr?

Schauen Sie, ich kenne keinen einzigen europäischen führenden Politiker im Europäischen Parlament, dessen persönliche Meinung irgendwelche Wirkung auf Ungarn ausüben könnte. Uns interessiert der seelische Zustand keines einzigen nicht ungarischen europäischen Abgeordneten besonders. Jeder soll mit seinen eigenen Problemen fertig werden.

Er, das heißt Manfred Weber, der Fraktionschef der Volkspartei, sagte, er möchte mit Ihnen möglichst schnell sprechen. Ist das geschehen?

Nein, aber es wird dann sicherlich geschehen. Vorwärts! Vorwärts, Herr Weber!

Aus der Fraktion ausgetreten…

Erinnern Sie sich an diese Geschichte, eine sehr alte Geschichte aus der Welt des Theaters, als ein Schauspieler namens Suka zu Tamás Major ging, um ihn um eine Gehaltserhöhung zu bitten, der nein sagte. Und Suka sagte: „Ermuntern Sie mich wenigstens mit irgendetwas!“ Darauf sagte Major: „Vorwärts, Suka!“ Also: Vorwärts, Weber!

Wir sprachen darüber, dass die Impfstoffe benötigt werden, und sie kommen auch immer mehr an. Sie sagen, mit den östlichen Impfstoffen gebe es im Grunde keine Probleme.

Sie kommen an, ja die chinesischen kommen sogar noch früher an. Wir tun alles, hier lastet das große Gewicht der Verantwortung auf den Schultern von Péter Szijjártó, doch vorerst hält Péter dem Druck stand. Er muss ständig über die Außenminister dafür sorgen, dass nicht nur rechtzeitig, sondern nach Möglichkeit noch früher, und wenn es möglich ist, dann nicht nur in der festgelegten Menge, sondern möglichst mehr Impfstoff ankommen soll. Er macht das in seinem täglichen Metier, und er kommt damit gut voran. Die Chinesen haben jetzt auch mehr geschickt, vielleicht um 50 tausend Dosen, als wovon die Rede war, und auch die Russen sind – mit gewissen Verspätungen, kleineren Abweichungen, aber – im Wesentlichen in der Lage, das Tempo einzuhalten. Auf den Russen lastet enormer Druck, denn immer mehr europäische Länder melden sich bei ihnen. Ich habe gesehen, dass es bei den Slowaken eine Regierungsdiskussion deshalb gibt, dann habe ich gesehen, dass sich auch die Tschechen gemeldet haben. Der Marktbedarf ist also riesig, um so zu formulieren. Viele wollen kaufen und auch die Politik mischt sich natürlich ein. Es ist schwer, zu erreichen, dass man das bekommt, worüber man einen Vertrag hat, doch mit täglicher Arbeit, der täglichen Arbeit des Außenministeriums haben wir dies bisher erreichen können.

Um auf die Volkspartei zurückzukommen, da ist ja der Fidesz aus der Fraktion ausgetreten. Will er oder will er nicht auch aus der Europäischen Volkspartei austreten? Wie soll es weitergehen? Wie denken Sie darüber?

Man kann sicherlich nicht zwei verschiedene Lösungen wählen, das ist also nur eine technische Frage. Ich habe im Übrigen in den vergangenen Tagen mit dem neuen Bundesvorsitzenden der CDU telefonisch gesprochen. Vermutlich wird es zwischen uns noch eine Konsultation geben, doch vorerst muss ich sagen, unsere Wege haben sich im Wesentlichen getrennt.

Und was sagte er dazu?

Er ist ein neuer Mann, ein anständiger Mann. Er ist ein Westdeutscher, er kommt also im Gegensatz zu der gegenwärtigen Kanzlerin nicht aus der östlichen Welt der Deutschen, sondern aus ihrer westlichen Welt. Er ist Katholik. Dies hat er auch in zahlreichen Wertefragen mit Entschiedenheit vertreten, er hat also für nichts gestimmt, was mit dieser seiner Wertordnung unvereinbar wäre. Er ist also ein Mensch mit Charakter und ein sehr erfolgreicher Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen. Er ist bekannt für seine Fähigkeit, selbst verschiedene Strömungen zusammenfassen zu können. Ich glaube, hierher ist er zu spät gekommen.

Sie haben in Ihrem 6. Samisdat geschrieben, jetzt müsse man ohne die Volkspartei die europäische demokratische Rechte aufbauen. Was für Verhandlungen führen Sie in dieser Angelegenheit?

Wir haben mit den Polen gesprochen, ich habe mit dem großen Freund der Ungarn, Herrn Matteo Salvini gesprochen, wir unterhielten uns mit der Vorsitzenden der anderen rechten italienischen Partei, mit Frau Meloni. Wir arbeiten. Es gab natürlich zu jeder Zeit alle möglichen Vorschläge darüber in der Schublade, wie man die europäische Politik erneuern sollte. Ein jeder spürt, dass es so ist, dass jene Meinungen, nach denen die Migranten nicht kommen sollen, es keinen Multikulturalismus geben soll, wir die christlichen Traditionen respektieren, die nationale Souveränität existiert, die Nationen nicht zu unserer Vergangenheit, sondern zu unserer Zukunft gehören, dass diese Fragen, die die größten Fragen des Zeitalters sind, in diesen Fragen ist unsere Stimme in Europa schwach. Sie wird nicht mit dem nötigen Gewicht vertreten. Jene Wähler, die dies denken, besitzen keinen ausreichenden Einfluss in der europäischen Politik. Deshalb haben jene, die auf diese Weise darüber dachten, auch immer gute Kontakte zueinander aufrechterhalten, und wir haben uns unterhalten, wir haben darüber nachgedacht, was man machen könnte. Jetzt gibt es eine Situation, auch unsere Hände sind viel freier, wir können unseren eigenen Weg beschreiten. Wir müssen nicht hasten, diese Gespräche, diese Konsultationen muss man beschleunigen. Das Wesentliche ist, dass es in Europa für Menschen wie uns, also Menschen, die die Familien schützen wollen, für Menschen, die ihre Heimat schützen wollen, für Menschen, die anstelle des europäischen Imperiums in der Kategorie der Zusammenarbeit der Nationen denken, eine politische Heimat gibt. Nicht nur in ihrer eigenen Heimat, denn hier kommen wir doch zurecht, der Fidesz und die Christdemokratische Volkspartei, sondern auch auf europäischer Ebene sollte es eine Heimat geben. Wir müssen für die Schaffung dessen arbeiten, meiner Ansicht nach wird so eine politische Richtung in Europa eine bestimmende Kraft sein.

Noch einmal darauf zurückkehrend, dass Sie erwähnt haben, Sie erwarten in der Konsultation bis zum 15. die Meinungen. Worauf sollen wir vertrauen, wenn wir über zwei Wochen diszipliniert die Verschärfungen aushalten können?

Hierbei war die Meinung der Fachleute nicht mehr derart übereinstimmend wie bei der Beurteilung des Ausgangspunktes, also hinsichtlich dessen, was jetzt notwendig ist. Wenn ich sie frage, sie mögen mir skizzieren, wie ungefähr sich die Zahl der Infektionen und die der sich in Lebensgefahr befindlichen Menschen gestalten wird und wie sich dies zu der Zahl der in immer größerem Umfang geimpften Menschen verhält, da ziehen sie verschiedene Linien, zeigen bzw. zeichnen sie verschiedene Tendenzen und Diagramme. Es gibt Stimmen, die sagen, nach 10-12 Tagen können wir mit diesem Lockdown bereits die dritte Welle brechen, es gibt Stimmen, die meinen, wir bräuchten 14 Tage, aber auch solche, die sagen, man müsse dann nach 14 Tagen vorsichtig öffnen, nicht in einem Schritt, denn sonst lösen wir am Ende auch noch eine vierte Welle aus. In dieser Hinsicht sind also die Meinungen der Experten breit gefächert. Aber zum Glück wird es diese Frage dann geben, wenn wir in zwei Wochen dort angekommen werden sein. Sicher ist, dass wir mit diesem jetzigen Lockdown für zwei Wochen in der Zielgeraden angekommen sind. Jetzt befinden wir uns also schon im letzten Abschnitt, in der Zielgeraden des Krieges gegen das Virus. Und wenn wir jetzt schließen, dann glaube ich daran, dass wir nach zwei Wochen tatsächlich mit der schrittweisen Öffnung beginnen können. Also so wie ich zu Beginn dieses Interviews gesagt habe, hierin auch die schlimmen kommunistischen Erinnerungen mit inbegriffen, es ist letztlich doch wahr, dass wir dann öffnen können, wenn wir jetzt schließen.

Vielen Dank! Sie hörten Ministerpräsidenten Viktor Orbán.