Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen Ungarn” von Radio Kossuth
19. Juni 2020

Katalin Nagy: 98 Tage lang waren in Ungarn die Beschränkungen in Kraft. Jetzt ist die Notsituation vorbei, die außerordentliche Rechtsordnung ist zu Ende gegangen. Ich begrüße im Studio Ministerpräsident Viktor Orbán!

Guten Morgen!

Jetzt, wo sich ein jeder darüber freut, dass beinahe alle Beschränkungen zu Ende gegangen sind, da könnte man so ein gutes Gefühl haben. Doch sehen wir zugleich bei bestimmten unserer Nachbarn, in der Ukraine, in Rumänien den Anstieg der Zahl der Infizierten. Ja, in Slowenien überdenkt man die eventuelle strengere Handhabung gewisser Regeln. Ist es nicht verfrüht bei uns das Ende dieser Situation zu sehen?

Sie haben es in Slowenien auch entschieden, gestern habe ich lange mit dem Ministerpräsidenten Sloweniens verhandelt, die im Übrigen dort nach einem Regierungswechsel eine phantastische Leistung gezeigt haben. Slowenien gehört ja zu den sich am erfolgreichsten verteidigenden Ländern, und es sagte, es werde hinsichtlich von mindestens drei Ländern, hinsichtlich dreier Balkanländer die Einreisebeschränkungen wieder in Kraft treten lassen. Wer also aus dem Kosowo, aus Bosnien, vielleicht aus Serbien nach Slowenien kommt, der muss sich 14 Tage in die Quarantäne begeben. Das ist eine wichtige Warnung, und das geschieht nicht irgendwo weit entfernt von uns, sondern hier, in unserer Nachbarschaft. Man muss bei Trost bleiben, wenn ich so einfach formulieren darf. Aber machen wir uns nicht unsere Stimmung kaputt. Wir sollten uns also freuen, dass wir die erste Schlacht gewonnen haben, und uns nicht nur darüber freuen, sondern dass es gelungen ist, das Leben mehrerer zehntausend Menschen zu retten, denn schließlich sprechen wir darüber. Die erfolgreiche Verteidigung bedeutet schwarz auf weiß, dass wir das Leben von vielen zehntausend Menschen gerettet haben, besonders das unserer alten Mitbürger. Wir sollten dies also nicht herabsetzen, wir sollten dies auch weiterhin als eine große Leistung ansehen, denn was könnte schließlich wichtiger sein, als dass der Mensch das Leben seiner in Gefahr geratenen Mitbürger oder Landsleute rettet? Es gibt kaum eine größere Tat als diese. Doch sollten wir dabei daran denken, dass die Voraussetzung für diesen Sieg doch die Disziplin und das Zusammenhalten waren. Wir sollten also zwei Sachen auch weiterhin nicht vergessen, dass wenn es sich so ergeben sollte, und, sagen wir, es kommt eine zweite Welle, dann müssen wir unsere Disziplin hervornehmen und genauso zusammenhalten, wie wir jetzt im Fall der ersten Welle zusammengehalten haben. Ich würde also nicht sagen, dass wir schon jetzt Angst haben sollten, sondern wir sollten uns jetzt freuen, dass es gelungen ist. Ja, wir können auch Sätze aussprechen, über die man gedacht hatte, so was würde man zu Lebzeiten nicht mehr in Ungarn hören können. Zum Beispiel hat sich das ungarische Gesundheitssystem im Umgang mit der Epidemie besser bewährt als die westeuropäischen Gesundheitssysteme. Dank und Anerkennung an unsere Ärzte, Pfleger und natürlich auch an den Operativen Stab. Meiner Ansicht nach sollten wir uns nicht die Laune verderben, sondern feiern, und uns freuen, und es gibt Freiheit, endlich kann man leben, und zugleich seien wir uns dessen bewusst, dass das Virus – da es keinen Impfstoff gibt – hier zwischen uns ist, deshalb kann es zurückkehren. Und wenn es zurückkehrt, dürfen wir dann nicht zögern, die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Ich stehe im Übrigen bereit hierfür. Meine Unterredung mit meinem slowenischen Kollegen gestern hat mich hierin auch bestärkt. Wenn die Zeichen es andeuten, dass die zweite Welle kommt, dann werden wir nicht zögern, die notwendigen juristischen und wirtschaftlichen Schritte zu unternehmen, denn so wie in den vergangenen Monaten können auch in der Zukunft die Leben von mehreren zehntausend ungarischen Menschen auf dem Spiel stehen, die gerettet werden müssen.

Sicherlich dürfte die gesamte Regierung oder der Operative Stab beruhigter sein, denn wir sehen ja tatsächlich, dass das ungarische Gesundheitswesen auf die Bewältigung dieser Aufgabe vorbereitet ist. Jetzt verfügen wir zum Glück schon über so viele Instrumente, die ausreichen werden, sollte es eine zweite Welle geben. Wir haben gesehen, wie viele angekommen sind. Die „Seuchenschutzbereitschaft“ bedeutet im Grunde, dass man ständig auf alles achten muss?

Nun, sie bedeutet mehrere Dinge. Der Operative Stab bleibt. Die Zuständigkeiten der Obersten Amtsärztin sind bestätigt. Die zur Versorgung, die in der Zeit der Epidemie zur Versorgung unbedingt notwendigen Instrumente befinden sich in den Lagerräumen. Deren Niveau, deren Niveau der Vorbereitung befindet sich auf dem in der Zeit der Epidemie notwendigen Stufe. Wir sind also auch morgen Früh in der Lage, mehrere zehntausend Menschen zu versorgen. Vergessen wir nicht, dass doch alles damit begann, wie wir den Fernseher angeschaltet haben, und sahen, wie in Westeuropa Menschen sterben, weil es nicht genügend Beatmungsgeräte gibt, weil es keine Versorgung im Krankenhaus gibt, weil es nicht genügend Betten gibt usw. Und da die Klingel in unseren Köpfen rechtzeitig erklang, haben wir in einer quasi nach militärischer Logik aufgebauten Übung uns im Wesentlichen auf eine massenhafte Ansteckung vorbereitet, die es uns dann zu verhindern und zu vermeiden gelang, doch unabhängig davon ist die Übung noch geschehen. Wenn also morgen eine Epidemie mit größerer Kraft als die vorherige ausbrechen sollte, dann wissen Sándor Pintér und auch ich genau, von welchem Regal wir welches Dossier herunternehmen und aufschlagen müssen. Miklós Kásler weiß genau, welches Dossier hervorgenommen und aufgeschlagen werden muss, denn das Land hatte diese militärische Übung, wie man im Fall einer eventuellen massenweisen Ansteckung den Menschen auf einmal dreißigtausend Betten zur Verfügung stellen muss, wie man plötzlich achtzigtausend Beatmungsgeräte in Betrieb nehmen muss, und welcher Arzt sowie welche Krankenschwester wohin gehen muss, wohin sie beordert werden, wo sie schlafen werden, von wem sie Verpflegung erhalten werden, wer ihr Vorgesetzter am Arbeitsplatz sein wird, wenn im Laufe der zweiten Welle eine massenhafte Ansteckung erfolgen sollte. Ich wünsche es also nicht, dass wir dieses Wissen auch in einer realen Gefahrensituation ausprobieren müssen, aber wir verfügen über dieses Wissen. Das ist ein riesiger Wert. Hiervon werden wir auch noch zehn bis zwanzig Jahre zehren.

Sie hatten dahingehend formuliert, das ungarische Gesundheitswesen habe sich besser bewährt als die westeuropäischen in sehr vielen Ländern, in Italien, in Frankreich oder in Spanien. Trotzdem kommen die kritischen Stimmen ja von dort, aus dem Westen, zum Beispiel im Zusammenhang mit der außerordentlichen Rechtsordnung, die bereits zu Ende ist, obwohl sie dort noch an sehr vielen Orten andauert.

Das ist eben das alte Lied. Es gibt ja diese auf die Schwächung, die Auflösung, das Hineinzwängen der nationalen Regierungen und Nationen in die imperiale Ordnung abzielende internationale Politik, die jetzt häufig nicht nur mehr durch Staaten, sondern durch über den Staaten stehende globale Organisationen, und die diese erhaltenden, davon lebenden, diese finanzierenden, sich als über den Nationen stehend empfindenden Geschäftsleuten, Finanzleuten betrieben werden. Und wenn man auf die europäische Landkarte blickt, dann sieht man ganz verblüffende Dinge. Ich bin also ein Ministerpräsident, der 1988 an der Gründung des Fidesz teilgenommen hat. Und ich erinnere mich daran, dass wenn damals das Wort „Westen“ fiel, dann erweckte das damals dort nur positive Assoziationen. Und ich zitiere dann jetzt aus der damaligen sowjetischen Propaganda, nach der man aber „in Amerika die Schwarzen zusammenschlägt“, worüber wir gelacht haben, und dass „die Jugendlichen im Westen sich im Coca-Cola-Rausch auf dem Boden suhlen“ – so viel konnte der Sozialismus als Kritik über den Westen formulieren. Hier dachte also damals ein jeder, nach dem Zusammenbruch der Kommunisten und nachdem die Sowjets das Land verlassen haben, würde die ungarische Führung vor keine komplizierten Aufgaben gestellt. Wenn ich jetzt, dreißig Jahre später, auf die Landkarte Westeuropas blicke, sehe ich, dass Menschen sterben, weil sie sie nicht versorgen können, ich sehe, dass wir von den vier größten europäischen Wirtschaften drei retten müssen, weil sie in die Richtung des finanziellen Bankrotts rennen. Ich sehe, dass die Wirtschaftsleistung mehrerer westeuropäischer Wirtschaften in diesem Jahr um mindestens zehn Prozent abnehmen wird. Wir sprechen über minus zehn Prozent. Ihre Schulden, die Staatsverschuldung steigt auf bis zu 120% an. Das befindet sich schon im Bereich des nicht mehr Handhabbaren. Und dann sehe ich auch, wie das Gesetz und die Polizei auf die Straßen hinausmarschiert und über diese eine Welle der Gewalt hinwegfegt. Denkmäler werden umgestürzt, es herrschen also unselige Zustände. Bandenkriege werden auf den Straßen herrlich schöner Kleinstädte in zivilisierten westeuropäischen Ländern geführt. Also ich betrachte die Länder jener, die uns hier Ratschläge geben, wie man auf die richtige Weise leben und gut regieren sowie die Demokratie auf die richtige Weise ausüben muss, und ich weiß nicht, ob ich weinen oder lachen soll?

In diese Reihe gehört auch, dass der Europäische Gerichtshof jetzt erneut Ungarn wegen seines Gesetzes über die Transparenz der zivilen Organisationen bzw. der Nichtregierungsorganisationen gerügt hat?

Schauen Sie, zweifellos gibt es einen – ich werde jetzt einen starken Ausdruck benutzen – liberalen Imperialismus von Westeuropa her, die amerikanischen Demokraten, also die amerikanische Linke ist auch ein Teil dessen, der versucht, seine Weltsicht, seine Werte, seine Auffassung – die Auffassungen über die Familie, die Migration, die Arbeit, am ehesten aber die über die Arbeitslosigkeit – solchen Ländern aufzuzwingen, die anders über die Familie, die Migration, die Ordnung usw. denken. Und zweifelsohne sind die internationalen Gerichte häufig Teil dieses Netzwerkes. Ich mag die einfache Lösung nicht, nach der wir hinter jede komplizierte internationale Erscheinung eine Verschwörung projizieren, jedoch gibt es unabhängig davon Verschwörungen und es gibt zweifellos die formalen Rahmen umgehend Hintergrundmächte. Und von bestimmten Gerichtsurteilen kann man dies eindeutig ablesen. Und da wir sehen, wer jene Ungarn sind, die im Übrigen an der internationalen Rechtsprechung teilzunehmen pflegen, besonders wenn es um Menschenrechtsbelange geht, dann finden wir sehr leicht den Zusammenhang mit dem internationalen Sorosschen Netzwerk, das im Übrigen das westeuropäische Oberkommando von diesem liberalen Imperialismus ist. Was nun das Urteil von gestern angeht, wir haben zwar das Urteil noch nicht gelesen, wir kennen nur die ersten Nachrichten, und die lauten so, dass dieses Gesetz, das wir im Interesse der Transparenz der aus dem Ausland unterstützten Organisationen erlassen haben, vom Europäischen Gerichtshof nicht akzeptiert wird. Aber ich habe gute Laune bekommen, als ich die Nachrichten darüber gelesen habe, denn in denen kam vor – und ich hoffe, im Urteil ist das auch enthalten –, dass die Transparenz ein Wert ist, den sich ein Parlament oder eine Regierung zu Recht als Ziel setzt. Also haben die ungarischen Menschen richtig entschieden, denn diesem Gesetz ging eine Nationale Konsultation voraus. Zu neunzig Prozent wurde der Gesichtspunkt der Transparenz unterstützt. Die ungarischen Menschen haben also richtig entschieden. Selbst den Text oder die Entscheidung der Vertreter der globalen Rechtsprechung nur ansatzweise kennend kann ich sagen, dass sie richtig entschieden haben, denn man wagte in Luxemburg, also am Europäischen Gerichtshof nicht zu sagen, die Transparenz der zivilen Organisationen wäre kein Gesichtspunkt hoher Priorität. Nur muss man diese, die Transparenz, auf die Weise verwirklichen, dass dies weniger Einschränkungen für sie bedeutet. Das ist möglich. Es wird also nicht schwierig sein, dieses Urteil einzuhalten, doch dass die Transparenz in Ungarn zu hundert Prozent zur Geltung kommen muss, ist gewiss. Ich werde es niemals akzeptieren, dass die für die am ungarischen politischen Leben teilnehmenden Organisationen, zum Beispiel die Parteien, etablierten Regeln schwächer sein oder von den allgemeinen Regeln der Transparenz abweichen sollen. Umgekehrt: Wer am politischen Leben teilnimmt, das Denken der Menschen beeinflussen möchte, offen will, dass die Menschen in bestimmten Fragen Stellung nehmen sollen, bestimmte Ziele in der Welt der Politik gemeinsam verwirklicht werden sollen, für diese Organisationen müssen Transparenzregeln der gleichen Stärke gelten. Das geht nicht, dass die Transparenzregeln für die im Parlament die Verantwortung übernehmenden politischen Parteien strenger sein sollen als jene für die ebenfalls eine politische Tätigkeit ausübenden, aber nach keiner parlamentarischen Vertretung strebenden Organisationen. Die müssen genauso transparent sein. Und ich möchte den ungarischen Wählern klarmachen, dass jeder ungarische Mensch über jeden aus dem Ausland hierhergeschickten, aus politischen Zielen hierhergeschickten Forint Bescheid wissen wird, denn er hat das Recht, dies zu wissen. Ich kann die Gegenmeinungen der Zivilen im Zusammenhang damit nicht akzeptieren, denn wer sich nicht ziert, Geld aus dem Ausland anzunehmen, der soll sich nicht schämen, dies zuzugeben. Wenn es keine Schande ist, Geld anzunehmen, dann ist es auch keine Schande, dies zu veröffentlichen. Wenn das eine Schande ist, dann ist natürlich auch das andere eine Schande. Ich möchte also, dass in Ungarn auf eine für eine Demokratie angebrachte Weise die ungarischen Menschen genau wissen können, wer wie viel Geld in das politische Leben hineinsteckt, um ihre Entscheidung, die Entscheidung der Menschen zu beeinflussen.

Sie haben auf die Konsultation, die Nationale Konsultation verwiesen. Ich erinnere mich, als die Meldungen über die ersten Infizierten der Epidemie, also über die iranischen Studenten ankamen, hat einer der Politiker von Momentum gesagt, Viktor Orbán könne nicht so viel Glück haben. Kann es also sein, dass Sie während Ihrer Regierung nicht auf das Glück aufzubauen pflegen?

Schauen Sie, sprechen wir es doch als erstes offen aus: Es gibt in Ungarn Akteure des politischen Lebens, die die Souveränität Ungarns, die die nationale Unabhängigkeit unserer Heimat mindern wollen, und da wir eine nationale Regierung haben, wir eine als Ergebnis der Entscheidungen der Menschen die nationale Souveränität an die erste Stelle setzende Regierung haben, deshalb wird die ungarische Regierung mit dieser Schärfe attackiert. Sie möchten, dass möglichst viele Rechte von den ungarischen Menschen irgendwie nach Brüssel übertragen werden. Das nennt man manchmal die Vereinigten Staaten von Europa, das wird das eine Mal als die Stärkung der europäischen Institutionen und das andere Mal als die Stärkung der die europäischen Werte garantierenden europäischen Gremien beschrieben, aber das sind alle die Instrumente des gleichen liberalen Imperialismus. Es gibt also in Ungarn sehr wohl politische Organisationen, die auf die Verminderung der Unabhängigkeit ihrer eigenen Heimat hinarbeiten. Und sie stellen sich, wenn es sich herausstellt, dass diese Souveränität, diese Unabhängigkeit in Ungarn in Gefahr ist, weil, sagen wir z.B. die ausländischen Studenten nicht bereit sind, die Vorschriften einzuhalten, und sie hier die Ansteckung verbreiten – was ja doch eine Frage der Souveränität ist, dass wir auch gegen Ausländer auftreten müssen –, plötzlich nicht auf die Seite der Ungarn, sondern wir finden sie immer auf der Seite der Fremden, der Ausländer, der Anderen, der Machtzentren. So ist die ungarische Politik. Das ist keine neue Sache. Wenn jemand von den Hörern glauben sollte, dies hätte erst gestern begonnen, dann irrt er. Die Brunnen werden seit langem vergiftet. Es gibt eine mindestens 150 Jahre alte Geschichte dessen, wie bestimmte ungarische Politiker auf dem internationalen Schauplatz regelmäßig gegen ihre Heimat arbeiten. Es gab auch einen Linken – dies steht auf den Seiten des Buches der Geschichte niedergeschrieben –, der im Ersten Weltkrieg, als wir um unser Leben kämpften, um das historische Ungarn erhalten zu können, fähig war, der italienischen Armee beizutreten, um mit seiner eigenen persönlichen Mitwirkung das historische Ungarn zu zerschlagen. Das sind also nicht neue Dinge, solche Menschen gab es schon immer, nur darf nicht die Vorstellung entstehen, dies sei irgendein entscheidender, zum Ausüben eines Einflusses fähiger, starker oder Mehrheitsstandpunkt. In Ungarn sind die anständigen Menschen in der überwiegenden Mehrheit, die ihre Heimat lieben, und die unser gemeinsames Leben bestimmenden Befugnisse nicht an jemand anderes übergeben wollen, sondern möchten, dass diese hierbleiben, und jene, die sie damit beauftragen, die Geschicke des Landes zu verwalten, diese Regeln ehrlich einhalten und das Land gut führen sollen. Letztlich sind ja doch wir in Ungarn in der überwiegenden Mehrheit.

Kann dann die Konsultation, der Dialog mit den Menschen gerade dagegen, gegen diesen den Brunnen vergiftenden Prozess etwas unternehmen?

Die Nationale Konsultation ist die wichtigste Sache, die Weltpolitik gestaltet sich jetzt so, man muss die Politik nach Regeln gestalten, die man Demokratie nennt. Das war nicht immer so. Und in einer Demokratie muss man – wenn es international die allgemeine Auffassung ist, dass die Demokratie eine richtige und gute Sache, sei, was ein Standpunkt ist, den ich im Übrigen teile – bestimmte Regeln immer vor Augen haben und man muss sie einhalten. Und in der Demokratie gibt es eine einzige unanfechtbare Meinung, und das ist der in den Wahlergebnissen zum Ausdruck kommende Wille des Volkes. Wahlen gibt es nun alle vier Jahre. Zugleich ist deutlich sichtbar, dass wenn es eine sich für die nationale Unabhängigkeit, für das Land einsetzende Regierung gibt, Menschen, die für Ungarn einstehen, dann gibt es nicht alle vier Jahre eine Schlacht, sondern man muss auf dem internationalen Schauplatz kontinuierlich ein Gefecht führen. Und eben auch gegen die Agenten im Inneren, wie ich das vorhin bereits gesagt habe, die – das kommt noch hinzu – gar keine Geheimagenten sind, denn sie schreiben es sich ja selbst auf die Stirn, dass sie durch George Soros finanziert werden, dass sie Ungarn umformen wollen, dass sie die Regierung stürzen wollen usw. usf. In so einer Situation reicht es für eine Gemeinschaft nicht aus, alle vier Jahre einen gemeinsamen Standpunkt auszubilden. Es gibt Fragen und Zeitpunkte, wenn es von großer Bedeutung ist, Punkte der Übereinstimmung zu schaffen, wenn wir auch uns selbst und der Außenwelt zeigen, dass die Ungarn in bestimmten Fragen, wenn auch nicht einstimmig, so doch in großer Mehrheit den identischen Standpunkt vertreten. Jetzt haben wir z.B. in der Frage der Verteidigung gegen die eventuelle zweite Welle des Virus und des Neustarts der Wirtschaft eine Konsultation gestartet, damit es 10-12 Punkte gibt, die nicht bestritten werden können, dass sie so sein müssen, hat sie doch eine Nationale Konsultation bestätigt. Darauf kann man sich berufen. Das bedeutet für die Regierung eine große Hilfe, aber es bedeutet meiner Ansicht nach auch für die Menschen hier in Ungarn eine große Hilfe.

Braucht Ungarn die wirtschaftliche Hilfe der EU, oder kann es die Wirtschaft auch ohne sie neu starten?

Von hier werde ich zu einer Videokonferenz gehen. Die erste Runde davon haben wir gestern mit der Teilnahme von 27 europäischen Ministerpräsidenten gehalten. Gestern stand die Ostpolitik der EU auf der Tagesordnung und heute wird es der Neustart der Wirtschaft, der Neustart der europäischen Wirtschaft sein. Daher kenne ich die Zahlen, denn ich habe mir die der anderen angesehen. Ich habe gesehen, dass es in bestimmten Ländern eine Abnahme des Bruttosozialproduktes um mehr als zehn Prozent geben wird, und es haben sich Staatsschulden angehäuft, die das Bruttosozialprodukt um 120%, 130%, 160% Prozent übersteigen, was jetzt kein großes Problem zu sein scheint, denn es gibt viel und billiges Geld auf dem Markt, doch wird das nicht immer so sein, denn wir kennen den zyklischen Charakter der Wirtschaftsgeschichte, kennen ihre Kapitel, in denen es darum geht, dass plötzlich das billige Geld verschwindet, und nur teures Geld auf dem Markt erreichbar ist. Die Zinsen beginnen zu steigen, und das Land, das mit einer Staatsverschuldung von 90%, 100%, 120%, 130% zu kämpfen hat, kann nur sehr schwer ohne äußere Hilfe auf den Beinen bleiben, wenn überhaupt. Und dann kommen die Wucherer, die ihre Hand auf das ganze Land legen, und dann ist dort alles vorbei. Wir haben so etwas auch in Europa allein in den vergangenen zwanzig Jahren gesehen. Wir haben also gute Gründe, uns heute zusammenzusetzen. Die Länder in Not sagen, wir müssten schnellstens einen sehr ernsthaften gemeinsamen Kredit aufnehmen. Ich hatte ja schon ausgeführt, dass die Logik des ungarischen Menschen eine andere ist, unsere Lebensinstinkte sind andere. Wir ziehen es vor, das Geld auszugeben, das wir bereits verdient haben, aber wenn wir doch der Ansicht sind, einen Kredit aufnehmen zu wollen, weil wir zuerst das Geld ausgeben und danach dafür arbeiten wollen, dann sollte jede Familie, jeder Mensch, jedes Land sein eigenes Risiko tragen, denn dies ist äußerst riskant, und wenn jemand falsch entschieden hat, dann sollte er nicht seinen Nachbarn, seine Familienmitglieder, eine andere Familie oder eben ein anderes Land mit sich reißen. Jetzt befinden sich aber zahlreiche Länder der Europäischen Union in finanzieller Hinsicht in einer derart traurigen Situation, dass wir es kaum vermeiden können, dem zuzustimmen, dass auch Ungarn zur Aufnahme solch eines großen Kredites beitragen soll. Das ist eine Gefahr und eine Möglichkeit zugleich. Eine Gefahr, denn wenn das Geld falsch ausgegeben wird, wenn wir es falsch ausgeben, dann ist es ein Fiasko. Zugleich ist es auch eine Chance, denn wenn wir es richtig machen, dann können wir erstarken. Nun haben wir auf der Regierungssitzung in der letzten Woche unter der Leitung von Herrn Minister Palkovics eine Arbeitsgruppe aufgestellt, deren Aufgabe es ist, wenn der neue europäische Plan zum Neustart der Wirtschaft verwirklicht werden sollte, zu schauen, wie viele Quellen etwa sich dann in Ungarn öffnen, und dass dann jene unserer Programme vorhanden sind, die wir daraus finanzieren. Hier gibt es für Ungarn alte, unerledigte Angelegenheiten. Zum Beispiel zum Teil im Zusammenhang mit der Ökologisierung ist unser System für den Transport der Elektroenergie in einem heruntergekommenen Zustand. Wenn wir einen kleinen Park von Sonnenbatterien an das große Netz anbinden wollen, dann müssen wir ernsthafte Investitionen vornehmen. Also die Ökologisierung erfordert das. Dann gibt es da schon seit Jahren die berechtigte Bemerkung der Fachleute, dass auf das gesamte System der ungarischen Wasserwirtschaft weniger Geld entfällt, als notwendig wäre. Auch hier gibt es unterlassene Rekonstruktionen und Investitionen, die wir durchführen könnten. Allein nur die Rekonstruktion des gesamten Systems des ungarischen Wassernetzes würde mehrere tausend Milliarden Forint benötigen. Es gibt also zahlreiche Programme, die wir in wenigen Augenblicken aktivieren können, und sinnvoll, das Geld nicht verstreuend, sondern sinnvoll, auf einige Aufgaben konzentrierend, z.B. unsere Universitäten mit weiterem Kapital zu versehen, also für einige Aufgaben ganz schnell nutzen können. Uns bereitet es also wegen des Vorhandenseins unserer fertigen Programme keine Schwierigkeiten, eine größere Summe von der Europäischen Union für die Stärkung unserer Nationalwirtschaft zu verwenden. Ich habe also das Gefühl, dass im Fall Ungarns die Gefahr natürlich nicht gleich Null ist, doch ist es vielmehr eine Möglichkeit als eine Gefahr. Doch der Teufel schläft nicht, man muss aufpassen, denn anderen ist es in den vergangenen Jahren nicht gelungen, so effektiv zu wirtschaften wie Ungarn.

Am Ende des Gespräches habe ich auch neulich nach der Kettenbrücke gefragt. Man versteht nicht, warum nichts geschieht. Obwohl ich weiß, dass das nicht zu den Befugnissen der Regierung gehört, sondern zu denen der Hauptstadt, doch langsam denken die Menschen schon darüber nach, dass man möglicherweise die Kettenbrücke umfahren müsste, so sollte man nach Buda hinüberfahren, damit nichts Schlimmes geschieht.

Schauen Sie, es gibt Dinge, die über unseren Verstand hinausgehen. Ich sehe in solchen Momenten im Allgemeinen keine böse Absicht, sondern Ungeschicklichkeit. Seit neun oder ich weiß gar nicht seit wie vielen Monaten stellen jene sich ungeschickt an und streichen um die Angelegenheit herum, die die Entscheidungen treffen müssten. Ich habe immer gesagt, man muss einen guten praktischen Fachmann finden. Es ist also keine Schande, wenn – sagen wir – in der kommunalen Selbstverwaltung viele theoretische Fachleute sitzen. Das kann auch von Nutzen sein, aber dann muss man auch jene wenigen praktischen Menschen finden, denen man die Durchführung der Angelegenheiten anvertrauen kann. Und ich halte es für jämmerlich, dass sie sich ständig auf Geldmangel berufen. Gerade jetzt, wo wir den Haushalt planen, sehe ich, dass die Hauptstadt auf ihrem Konto 100 Milliarden Forint oder vielleicht 180 Milliarden Forint hat. Sie sind also voll mit Geld, man muss es nur sinnvoll nutzen. Aber jetzt, nachdem wir die Wahlen in der Hauptstadt hinter uns haben, können wir eine einzige Sache tun: Ihnen die Daumen drücken, damit es gelingt.

Vielen Dank! Sie hörten Ministerpräsident Viktor Orbán.