Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen Ungarn” von Radio Kossuth
12. Juni 2020

Katalin Nagy: Das Virus ist noch da, täglich werden acht bis zehn neue Infizierte diagnostiziert, aber auch die Lockerungen sind schon kontinuierlich geworden. Im Studio anwesend ist Ministerpräsident Viktor Orbán. Ich begrüße Sie, guten Morgen! Für wann können wir erwarten, dass die Gefahrensituation aufhört und wir hier in Ungarn zu dem ursprünglichen Gang der Dinge zurückkehren?

Ich begrüße die Zuhörer, guten Morgen! Hier trennen sich dann das Recht und die Wirklichkeit voneinander, denn das Parlament beendet die Gefahrensituation, aber das wird eben das Virus nicht beeinflussen. Ich möchte nur als Kuriosität erwähnen, dass es ein Land in der Welt gab, wo man das Virus kraft einer präsidialen Verordnung verboten hat, doch ist dieser Weg meiner Ansicht nach in Ungarn nicht gangbar. Es ist also gut, wenn wir uns darauf vorbereiten, dass die besondere Rechtsordnung nicht mehr nötig ist, das heißt dass also jenes Recht des Ministerpräsidenten und der Regierung, auch in Angelegenheiten, in Fragen der Findung von Gesetzen Maßnahmen zu ergreifen bzw. Gesetze durch Verordnungen zu modifizieren, beendet werden muss, das ist nicht mehr notwendig. Was aber notwendig ist, das ist die Aufrechterhaltung der Seuchenschutzbereitschaft. Das bedeutet drei Dinge. Erstens, dass wir die Tätigkeit des Operativen Stabes aufrechterhalten werden, und wir innerhalb dessen auch eine Einheit aufstellen, die sofort eingesetzt werden kann, wenn das Virus im Land in höherer Zahl auftreten sollte, dann können wir sofort konzentriert Maßnahmen ergreifen, denn das Virus ist ja hier und infiziert. Ich erinnere immer einen jeden daran, dass solange wir keinen Impfstoff haben, das heißt wir es nicht mit Hilfe einer Impfung beseitigen können, es hier ist. Deshalb erhalten wir den Operativen Stab, das System der Krankenhauskommandanten aufrecht, damit unsere Krankenhäuser auf die zweite, im Laufe des Herbstes zu erwartende Welle und den Umgang mit ihr vorbereitet sind, und wir stärken die Befugnisse der Obersten Amtsärztin: Das ist die Seuchenschutzbereitschaft, doch geschieht dies bereits im Rahmen der normalen Rechtsordnung und nicht in der der besonderen Rechtsordnung. Ich muss sagen, unsere Verteidigung war erfolgreicher als die zahlreicher europäischer Länder. Häufig sagt man, Geld mache nicht glücklich, aber nicht nur, dass es nicht glücklich macht, es rettet auch nicht einmal unbedingt Leben, denn auch Ländern, die reicher als wir sind, ist es schlechter, schlimmer ergangen als uns. Die über relativ weniger Geld verfügenden mitteleuropäischen Länder – ich war gerade gestern auf einem V4-Gipfel – haben sich dagegen äußerst erfolgreich verteidigt. Es ist deutlich erkennbar, dass die Disziplin, die Hingabe, die beispielhafte Befolgung der Regeln, die schnellen Regierungsentscheidungen, die entschlossenen Ärzte und Krankenschwestern zusammen häufig mehr wert sind als das Geld. Deshalb haben wir die erste Schlacht gewonnen, diesen Sieg haben wir bereits im Sack.

Dass man zum Beispiel jetzt auch die Altenheime und die Seniorenklubs unter Einhaltung der räumlichen Distanzierung öffnen kann, zeigt doch, dass man schon selbst bei den am meisten gefährdeten Gruppen eine gewisse Lockerung zulassen darf, nicht wahr? Denn es ist doch sehr schwer, dieses Eingeschlossensein zu ertragen.

Ja, aber sehr vorsichtig. Jetzt erhält wieder das eine Betonung, was Rücksichtnahme, Mitgefühl, Einsicht, also angeborene Intelligenz von uns allen erfordert, dass wir wissen, welche Gruppen gefährdet sind und welche nicht. Man darf die Alten nicht vergessen. Man darf also nicht einmal in der gegenwärtigen „Hurrastimmung“, in der die Lebenslust aus den Menschen hervorbricht, und deutlich erkennbar jeder es als Freiheit oder als eine Befreiung erlebt, endlich wieder auf normale Weise leben zu können, vergessen, dass – da das Virus hier ist – wenn es sich wieder verbreitet, dann werden erneut in erster Linie die älteren Menschen dessen Zielpunkt sein. Wir haben das Leben von sehr vielen tausenden betagten Menschen gerettet, und man sollte dies jetzt nicht aus Verantwortungslosigkeit erneut riskieren. Deshalb muss man bestimmte, die Alten schützende Regeln aufrechterhalten, und ich bitte einen jeden, besonders auf die Alten, unsere Eltern, Großeltern besonders zu achten und auf sie Rücksicht zu nehmen.

Über die Nationale Konsultation sagt die Opposition wieder, sie sei unnötig. Warum glaubt die Regierung, sie sei notwendig?

Wovon hängt denn die erfolgreiche Verteidigung ab? Entgegen der weit verbreiteten allgemeinen Auffassung nicht in erster Linie von der guten Arbeit der Regierung, wobei es nicht schadet, wenn es sie gibt, sondern sie hängt von den Ärzten, den Krankenschwestern, im Allgemeinen von der Hingabe der im Gesundheitswesen Arbeitenden ab, doch wovon es am meisten, und das ist der Schlüssel zu allem, das ist, dass die Menschen die Schutzregeln akzeptieren. Was die Menschen als Schutzregel akzeptieren, das funktioniert; wenn sie sie im Übrigen nicht akzeptieren, dann kann sie noch so klug, durchdacht, nützlich sein, das wird in der Wirklichkeit nicht funktionieren. Da wir also im Herbst mit einer zweiten Welle rechnen, müssen wir Punkte des Einverständnisses etablieren. Wir verfügen über Erfahrungen, wir alle sind von einer Pandemie getroffen worden, die auch nach Ungarn hereingeschleppt worden ist. Wir haben vieles versucht; manches funktionierte, manches nicht, es gab Dinge, die die Menschen für richtig gehalten haben, andere weniger. Jetzt haben wir Zeit, mehrere Monate, um jenes Einverständnis, oder wie wir es nennen: jene Punkte des Einverständnisses im Zusammenhang mit der Verteidigung zu erschaffen, die im nächsten Zeitraum der Verteidigung die Pfeiler unserer Arbeit sein werden, und dann wird die Effektivität der Verteidigung noch besser sein können als die gegenwärtige herausragend erfolgreiche Verteidigung.

Täglich berechnet das Ministerium für Außenhandel und Auswärtige Angelegenheiten sowie das Ministerium für Innovationen und Technologie, wie viele Arbeitsplätze mit Hilfe der Maßnahmen zum Schutz der Wirtschaft durch jene Investoren bewahrt werden konnten, die zu ihren Investitionen eine Unterstützung beantragt haben, wie viele Arbeitsplätze werden sie schaffen können? Wie sehen Sie das, wo wird Ungarn in dem Wettlauf stehen, der hier in Europa sicherlich entstehen wird, damit die Wirtschaft erneut auf ihre ursprüngliche Bahn oder eine noch bessere zurückfinden kann?

Jeden zweiten Tag erhalte ich einen umfassenden Bericht über den Arbeitsmarkt, die Frage der Arbeitslosigkeit, und ich erhalte auch darüber einen Bericht, mit welcher Effektivität die Maßnahmen der Regierung wirken. In diesem alle zwei Tage vorgelegten Bericht findet sich auch, wie vielen Menschen wir ihren Arbeitsplatz bisher durch Regierungsmittel gerettet haben. Diese Zahl beträgt schon deutlich mehr als eine Million, es gibt also eine Million von Arbeitsplätzen, die ohne das Eingreifen der Regierung und ohne Hilfe sowie Schutz mit großer Wahrscheinlichkeit gestrichen worden wären. Wir sprechen also über keine kleine Sache: über das Brot von einer Million von Familien. Meiner Ansicht nach funktionieren diese Instrumente also. Unser Ziel ist ganz klar: Wir wollen keine Hilfen verteilen, sondern wir möchten, dass ein jeder in der Lage sein soll, das zum Leben für seine Familie notwendige Geld, das Einkommen zu erhalten.

Hierbei helfen offensichtlich auch die Lohnzuschüsse.

Es gibt die Lohnzuschüsse, aber wir verfügen über zahlreiche Instrumente. Lohnzuschüsse, dann ist da noch die Unterstützung der Investitionen, es haben sich ja beinahe achthundert Unternehmen um Investitionsunterstützungen gemeldet, die Arbeitsplätze schaffen werden, und dies werden sie bis zur Mitte des kommenden Jahres durchführen. Mein Optimismus ist also – wie soll ich es ausdrücken – nicht aus der Luft gegriffen, sondern ich sehe die Zahlen, ich sehe die Fakten, ich konsultiere regelmäßig mit den Akteuren der Wirtschaft, ich sehe die Summen, die rausgehen, ich weiß, woraus was wird. Ich habe also eine… Ich bin in einer glücklicheren Situation als die Staatsbürger, denn ich stehe auf einem erhobenen Punkt, und von dort aus kann man deutlich sehen, was in dem kommenden Jahr geschehen wird. Und wenn wir uns mit den Westlern vergleichen wollen, was wir ruhig machen können, denn jetzt sind wir schon stark genug, um auf Augenhöhe mit ihnen zu reden und uns auch so zu verhalten. Wir haben keinen Grund, um nach oben zu blicken, obwohl man von jedem lernen kann, doch ist dies nicht mehr die angemessene Körperhaltung, und die Verteidigung, die medizinische Verteidigung gegen die Seuche hat ziemlich deutlich bewiesen, dass man von uns mindestens so viel lernen kann, wie wir von anderen lernen können, wir befinden uns jetzt also schon in einer Erwachsenensituation verglichen mit der früheren kindlichen Annäherung des „wie-sollen-wir-zu-dem-Westen-aufschließen“? Jetzt ist es schon an der Zeit, unsere Zukunft von unseren eigenen Interessen ausgehend, auf unseren eigenen Beinen stehend und auf unsere eigene Leistung vertrauend zu planen. Wenn ich nun über die Wirtschaft spreche, dann kann ich Ihnen sagen, dass es einen derart engen Zusammenhang zwischen Regieren und gutem Regieren sowie der wirtschaftlichen Lage noch nie gegeben hat, wie es ihn in den kommenden anderthalb Jahren geben wird. Die Menschen pflegen sehr richtig zu denken, dass natürlich die Wirtschaftspolitik der Regierung das Funktionieren der Wirtschaft beeinflusst, denn schließlich legt ja doch das Parlament die Steuern fest, die Regierung erlässt Verordnungen über die Unterstützung von Investitionen usw. Das staatliche Wirtschaften ist ein wichtiger Teil der Wirtschaft, aber nicht der wichtigste, denn die Wirtschaft ist grundlegend privat, privater Art, und deshalb kann sie auch unabhängig vom Wirken der Regierung weiter funktionieren. Natürlich erinnern wir uns aus der Zeit der linken Regierungen, dass man auch eine gut funktionierende Wirtschaft kaputtmachen kann, aber die Menschen pflegen trotzdem zu denken, die Regierung und die Wirtschaft seien zwei verschiedene Dinge, und das denken sie im Allgemeinen richtig, aber nicht jetzt. Jetzt ist es umgekehrt. Es wird also in den kommenden anderthalb Jahren einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Regierungsleistung und dem Zustand der Wirtschaft geben, denn jetzt sind wir in einem Zeitraum des Schutzes der Wirtschaft. Und die Wirtschaft kann nur die Regierung verteidigen bzw. dies kann man nur unter der Führung der Regierung. Wenn wir also die Wirtschaftspolitik der kommenden anderthalb Jahre gut machen – ich weiß, dies ist eine große Verantwortung, doch will ich das nicht von uns wegschieben –, dann werden wir zu einem phantastischen Ergebnis kommen, und wir werden in dieser Schlacht namens „wie werden wir aus der Krise herauskommen“, „wie sollen wir mit der Wirtschaftskrise umgehen“ auch Stärkere, als wir es sind, überholen. Wenn aber die Regierung ihre Arbeit nicht gut verrichtet, im falschen Takt einsetzt, Unsinniges erzwingen will, wenn sie nicht den richtigen Tonfall im Gespräch mit den Akteuren der Wirtschaft findet und keine breite Zusammenarbeit etabliert, dann wird es nicht gelingen. Jetzt verbinden sich also der wirtschaftliche Erfolg und die Qualität der Regierungsarbeit viel enger als jemals zuvor.

Das Parlament berät über den Haushalt. Der Haushalt muss ja damit rechnen, weniger Einnahmen zu haben, denn – sagen wir – das Erlassen von Steuern, auch das Moratorium für das Abbezahlen von Krediten unterstützen es, damit die Menschen von dem Geld leben können, und das Geld nicht für – sagen wir – die Kredite ausgeben müssen. Der Haushalt musste also damit rechnen. Ist es deshalb so, dass der Haushalt durch die Regierung beinahe so geteilt wurde, dass es einen Teil zum Schutz der Wirtschaft gibt, der vielleicht am wichtigsten ist?

Ich bin aber doch hoffnungsvoll, dass es nicht weniger Geld geben wir, sondern mehr, obwohl man bei der Planung vorsichtig sein muss. Jedoch ist gar nicht die Menge des Geldes am wichtigsten, sondern dessen vernünftige Verwendung. Und da die Gemeinschaft der Wissenschaftler sowie die der Ärzte der ganzen Welt mit völliger Offenheit über die zweite Welle der Epidemie spricht, müssen wir uns auch auf den Umgang mit ihr vorbereiten, und andererseits weiß noch niemand, wie in welchem Maß das, was geschehen ist, das heißt die erste Welle der Epidemie, die Wirtschaften zurückgeworfen hat. Auch vorgestern habe ich einen OECD-Bericht gesehen, der ein ziemlich düsteres Bild hiervon zeichnet. Ich bin hoffnungsvoller als das, was sie schreiben, doch sitzt dort ja letztlich eine Gruppe der vielleicht besten Makroökonomen der Welt in der OECD, man muss also darauf hören. Insgesamt muss ich sagen, dass wir die Behebung der wirtschaftlichen Auswirkungen nicht im Laufe einiger Monate im Jahr 2020 werden durchführen können. Deshalb wird auch das Jahr ’21 ein Jahr des Wirtschaftsschutzes sein, weshalb wir auch im Weiteren über zwei große Fonds verfügen müssen: Über einen Fonds für den Seuchenschutz, der mit der zweiten Welle umgehen wird, und einen Fonds zum Schutz der Wirtschaft, und das Geld muss entlang dieser Logik ausgegeben werden. Da es einmal schon gelungen ist, ab 2010 eine sehr schwierige Wirtschaftskrise besser als die meisten Länder der Europäischen Union oder vielleicht besser als alle anderen zu managen, so gibt es Erfahrungen darüber, wir kennen deren Logik, ihre Zusammenhänge, ich könnte auch sagen, das Dossier ist vorhanden, das ich vom Regal herunternehmen muss, um nachzusehen, was wir damals gemacht haben. Wir sehen, was sich damals bewährt hat, und was nicht. Sehr viele Dinge haben sich bewährt, wir verfügen über die Instrumente: statt Hilfen gibt es die öffentliche Beschäftigung, Schaffung von Arbeitsplätzen durch den Staat, die Unterstützung von Weiterbildungen, Steuersenkungen und Investitionen. Das sind erprobte Instrumente, das sind gute Waffen, diese haben zuvor funktioniert, und das Ziel ist auch jetzt nichts anderes, als es 2010 war: Die Arbeitsplätze zu schützen, und wenn es realisierbar ist, so viele neue wie möglich zu schaffen. Wir kennen also das Ziel, und wir verfügen über die Instrumente. Aus diesem Grund können wir die völlige Verantwortung für die erfolgreiche Umsetzung des Haushalts für das nächste Jahr übernehmen.

Über das Moratorium bei der Zahlung der Kredite sagen Fachleute, es habe sich sehr gut bewährt. Interessant war ja, dass in Ungarn diesen Schritt die Regierung sehr schnell unternommen hat, und man konnte es ja auch vergleichen, in Europa hat man nicht allen diese Möglichkeit geboten, sondern dort, wo man sie gegeben hat, dort auch nur privilegierten Gruppen. Was ist das wesentliche darin, dass hier in Ungarn so viele Menschen diese Möglichkeit genutzt haben? Und es scheint irgendwie so zu sein, dass während sehr viele die weiteren Ratenzahlungen ihrer Kredite fortführen, denn zum Glück verfügen sie über Rücklagen, aber vierzig und einige Prozent hat dies doch ausgenutzt, und auch Firmen, nicht nur Privatpersonen.

Schauen Sie, an meiner Seite wirkt ein wirtschaftspolitischer Gehirntrust, und die jetzigen Maßnahmen haben auch am ehesten sie zusammengestellt. Natürlich muss die Verantwortung danach der Ministerpräsident tragen, auch wenn der Gedanke von jemandem anderen stammt, die Verantwortung gehört doch trotzdem der Regierung, und diese Gruppe hat bereits 2010 über die erfolgreichen Instrumente hinaus auch noch neue vorgeschlagen. Zum einen Teil Instrumente der Notenbank, und zum anderen Teil Instrumente der Regierung im Haushalt. So etwas war das Kreditmoratorium, das meiner Ansicht nach ein fantastisches Ergebnis erbrachte: Mehr als 2.000 Milliarden Forint sind draußen bei den Menschen geblieben, und ein sehr großer Teil auch der Firmen und auch ein sehr großer Teil der Bevölkerung hat es in Anspruch genommen. Und ich sehe den sozialen Inhalt dessen, denn wie ich die Daten betrachte, sehe ich, dass dies besonders Menschen mit wenig Geld in Anspruch genommen haben. Je weniger Geld jemand hat, umso mehr hat er das Kreditmoratorium in Anspruch genommen. Dies stellt also besonders für Menschen mit weniger Geld eine riesige Hilfe dar, und die Mehrheit des Landes besteht ja doch aus ihnen. Ich muss also sagen, für die Mehrheit des Landes bedeutete dies eine ernsthafte Möglichkeit. Ich freue mich auch darüber, dass es etwa einen Anteil von einem Drittel des Landes gibt, das dies nicht in Anspruch genommen hat, weil es sagte: „Natürlich gibt es Probleme, doch verfüge ich über finanzielle Rücklagen, um ohne jede Form eines Kreditmoratoriums die früher aufgenommenen Kredite zu zahlen, und mich so aus dieser Situation zu befreien.“ Das ist also so eine Münze, bei deren Betrachtung man lächeln muss, ganz gleich welche Seite man ansieht. Und auch in Europa ist dieses Instrument beispiellos. Es legt im Übrigen eine ernsthafte Last auf die Schultern der Banken, es gibt also einen großen Widerstand in solchen Momenten. Obwohl ich sagen muss, seit der Einführung der Bankensteuer, seit 2010, seit es sich herausgestellt hat, dass sie einen Sinn gehabt hat und wir das Geld, das wir von den Banken weggenommen hatten, tatsächlich für die Bewältigung der Krise verwendeten, seitdem ist die Zusammenarbeit mit den Banken auch in Krisensituationen eine – wenn auch nicht ohne Diskussionen ablaufende –, aber existierende Sache oder Kooperation. Ich behaupte also nicht, sie seien glücklich, wenn sie ihr Geld hergeben müssen, das ist für die Banken nicht charakteristisch, und sie sind auch weder Anhänger der Zinssenkung noch des Zinsmoratoriums, des Kreditmoratoriums, denn sie lieben ja die Zinsen sehr, was wir verstehen müssen. Das ist ihre Aufgabe, aber man kann mit ihnen reden, und auch jetzt haben wir eine Lösung gefunden, dass wir die Ratenzahlungen der Kredite auf die Weise ausgesetzt haben, dass dies am Ende von den Kreditnehmern keinen Zinseszins fordert. Die Banken hätten sicherlich das letztere lieber gehabt, aber das wäre nicht richtig gewesen, und schließlich konnten wir zu einer Übereinkunft gelangen. Wir haben auch die Bankensteuer ein bisschen korrigiert, und am Ende war die Sache auch für sie akzeptierbar und so tragen auch sie zum Umgang mit der Krise bei. Wenn es eine starke Regierung, wenn es eine nationale Unterstützung, eine starke Unterstützung durch die Wähler gibt, und wenn die Regierung über ein nationales Selbstbewusstsein verfügt, dann kann man auch gegen die großen Finanzkapitalisten und großen Banken der Welt auftreten und zu vernünftigen Vereinbarungen mit ihnen kommen – wenn Stärke vorhanden ist. Wenn es keine Stärke gibt, dann ist das alles natürlich nur ein Märchen.

Wie gestaltet sich das Budget der kommunalen Selbstverwaltungen im Haushalt für das nächste Jahr? Die Vertreter der oppositionellen Parteien haben ja die Bezirke der Hauptstadt abgeklappert. Ja, der Oberbürgermeister selbst klagt darüber, wie viel Geld die Regierung der Hauptstadt entzieht.

Insgesamt muss ich sagen, dass dies ein Jahr der Verteidigung ist – wir sprechen über 2021 –, und an ihr muss ein jeder teilnehmen. Ich verstehe also, wenn jeder die Position einnimmt: „Natürlich soll ein jeder daran teilnehmen, außer mir.“ Wir kennen diese Denkweise, und ich sehe sie auch bei einem Teil der kommunalen Selbstverwaltungen, das geht so aber nicht. Wir sitzen im gleichen Boot, oder wie es in dem alten ungarischen Schlager heißt: „Wir weinen und wir lachen gemeinsam.“ Die kommunalen Selbstverwaltungen sind keine selbständige, von den anderen Teilen des Landes abtrennbare Einheit unseres Lebens, sondern Teil des großen ungarischen Lebens, und deshalb muss ein jeder, die Akteure des Wirtschaftslebens, die im Gesundheitswesen Arbeitenden, die Regierung, die Parteien, die kommunalen Selbstverwaltungen, jeder muss in irgendeiner Form zur Verteidigung beitragen, denn ansonsten wird sie keinen Erfolg haben, denn der Schlüssel zur Verteidigung ist – ich sage es noch einmal – nicht das Geld, das ist dazu auch notwendig, sondern das gemeinsame Handeln. Denn Geld gibt es nur dann, wenn es auch Eintracht gibt, und sich niemand der Verteidigung entziehen will. Wenn jemand beginnt, sich der Verteidigung zu entziehen, und dies jene, die die Kompetenzen des Regierens – in diesem Fall der Ministerpräsident und die Regierung – ausüben, zulassen, dann wird ein jeder sich dem entziehen wollen. Die Verteidigung, der Grundsatz des „wir sitzen in einem Boot“ gilt also für alle. Hinzu kommt noch, dass ich insgesamt sagen muss, die Haushalte der kommunalen Selbstverwaltungen werden im Jahr 2021 ansteigen, sie werden im bedeutenden Maß anwachsen. Sie werden also mit mehr Geld haushalten können. Hinzu kommt noch, dass wenn die Regierung den Neustart der Wirtschaft gut hinbekommt, dann wird es dort auch mehr Steuereinnahmen geben – nicht nur auf Landesebene, sondern auch auf der Ebene der kommunalen Selbstverwaltungen. Es besteht also kein Grund dazu, den Tonfall anzuschlagen, den wir jetzt alle hören. Ich schreibe dies lieber der bei der Zusammenstellung des Haushaltes üblichen Lobbytätigkeit zu, mit der man so umgehen muss, wie es nötig ist. Und wenn ich dann auch noch beachte, dass die Investitionen in Ungarn nicht in der Luft verwirklicht werden, sondern auf dem Territorium irgendeiner kommunalen Selbstverwaltung – jede Investition ist zugleich auch eine irgendeiner kommunalen Selbstverwaltung gebotene Unterstützung, den dort lebenden Menschen gegebene Unterstützung, denn es gibt viele Investitionen, denn wir haben ein Programm Ungarisches Dorf, wir haben ein Programm Moderne Stadt, es gibt Einzelinvestitionen –, dann muss ich sagen, die kommunalen Selbstverwaltungen werden sich auch weiterhin entwickeln, sie werden auch im Jahr 2021 stärker werden.

Nach dem Haushalt der kommunalen Selbstverwaltungen nun der der Europäischen Union, bzw. der ominöse Wiederaufbaufonds zur Regenerierung nach der Epidemie. Jetzt haben sich die Ministerpräsidenten der V4 getroffen. Und wie sehen Sie das – wird es genauso schnell gelingen, darin zu einer Übereinstimmung zu gelangen, dass man in diesen Fragen einen gemeinsamen Standpunkt vertreten soll, und wird dieser Standpunkt für alle akzeptabel sein?

Zunächst einmal ist es gelungen, mit den Visegráder Vier zur vollkommenen Übereinstimmung zu gelangen. Es gab Stimmen in Westeuropa, die hofften, hier würde etwas passieren, denn es gibt Länder, für die der jetzt auf den Tisch gelegte, durch die Brüsseler Bürokraten ausgearbeitete Vorschlag schon gut ist, und solche, für die er es nicht ist, und das würde die Kooperation der V4 sprengen. Das ist nicht eingetreten. Ja, der slowakische Ministerpräsident kommt heute mit dem Ziel nach Ungarn, um die slowakisch-ungarische Zusammenarbeit zu bekräftigen. Wir haben im Übrigen in den vergangenen zehn Jahren Glück mit den slowakischen Ministerpräsidenten, denn sie sind Freunde und gute Unterstützer auch der in der Slowakei lebenden Ungarn. So auch der gegenwärtige Ministerpräsident. Ich konnte mich gestern hierüber vergewissern, er ist ein anständiger Mensch. Denn grundlegend ist die Minderheitenfrage, das Verhältnis zur Minderheit keine finanzielle Frage und auch keine politische Frage, sondern ob man ein anständiger Mensch ist. Wir gehen in Ungarn auch deshalb gut mit den hier lebenden Minderheiten um, denn man muss gut mit dem umgehen, der kleiner ist und sich in einer zahlenmäßig nachteiligen Situation befindet. Und soweit ich es sehe, haben wir nacheinander slowakische Ministerpräsidenten erhalten, und der gegenwärtige ist ausgesprochen ein solcher, die ein Herz haben und deshalb das ganze Problem verstehen. Natürlich erwartet er von uns, dass auch wir mit den in Ungarn lebenden Slowaken gut umgehen sollen, doch das pflegt uns gut zu gelingen, denn wir sind der Ansicht, dass sie uns bereichern, sie geben uns etwas und nehmen uns nichts. Also wird auch dieser slowakisch-ungarische Flügel der V4 gut funktionieren. Um auf das Geld zurückzukommen: Auf dem Tisch liegt ein Vorschlag der Europäischen Union. Er ist vollkommen entgegengesetzt, seine Konzeption ist dem vollkommen entgegengesetzt, wie wir, Ungarn, denken. Wie denken wir? Oder zumindest hoffe ich sehr, dass wir in der Mehrheit sind, die so denken, dass man das Geld zuerst verdienen muss und danach ausgeben. Denn das haben die Ungarn aus eigenem Schaden gelernt, dass man für jedes Geld arbeiten muss, früher oder später, aber man muss dafür arbeiten. Umsonst gibt es kein Geld, auch wenn es so scheint, als würde das viele Geld als Kredit einfach vom Himmel herabsteigen, und das sei gut, und wir haben nicht dafür gearbeitet, später wird man das von uns eintreiben. Das Wesen des vorsichtigen und verantwortungsvollen Denkens des Ungarn ist also, dass man das Geld zuerst verdienen muss, und danach ausgeben. Wenn jemand meint, er stehe gut und er könne auf seine Zukunft vertrauen, er also ein Einkommen, er Einnahmen in der Zukunft haben wird, er aus diesem Grund das Risiko eingeht, zuerst doch lieber einen Kredit aufzunehmen und ihn danach abzuarbeiten – wenn jemand diese Entscheidung trifft, dann soll sie ein jeder auf eigene Verantwortung treffen, sowohl als Privatmensch als auch als Land, und niemand soll andere in die eigenen riskanten Manöver miteinbeziehen, damit am Ende dann jene den Preis seiner falschen Entscheidungen bezahlen. Das ist die ungarische Denkweise. Dies halten wir für richtig, auch auf der Ebene der Länder. Ich mag es also nicht, wenn wir gemeinsam Geld aufnehmen, wir gemeinsam dafür einstehen, wir bezahlen, jemand anderes aber nicht, und wir müssen an seiner Stelle zahlen. Und die EU betritt jetzt diesen Weg. Das ist also unserer Lebensphilosophie, dem ungarischen Lebensgefühl, den Lebenserfahrungen und Lebensinstinkten vollkommen entgegengesetzt. Doch muss ich jetzt einsehen, obwohl dies nicht wir sind, dieser Vorschlag, dass etwas getan werden muss, und wir müssen gemeinsam etwas machen, denn es gibt Länder, die in sehr großen Problemen stecken. Das sind nicht die mitteleuropäischen Länder. Die Krise hat natürlich auch uns angeschlagen, es ist also nicht so, dass der eine Teil Europas nachteilig betroffen wäre und der andere nicht, denn auch die tschechische, polnische, slowakische und ungarische Wirtschaft leidet ja doch auch. Nur sind diese Wirtschaften hinsichtlich der Schulden in einem besseren Zustand als die anderen. Die Staatsverschuldung Frankreichs ist über 100 Prozent seines Bruttosozialproduktes gerutscht, die Italiener lagen schon vor der Krise bei 135 Prozent, die Griechen schuldeten mehr als 165 Prozent ihres jährlich erwirtschafteten Einkommens den verschiedenen Banken der Welt, und ich könnte die Aufzählung fortsetzen. Wenn also jetzt auch noch dieser Rückgang, der eingetreten ist, auf diese Länder hereinbricht, dann ist es nicht sicher, ob sie das aushalten. Jetzt sehen wir uns der Situation gegenüber, dass es die mitteleuropäischen Länder aushalten, ob sie es aber aushalten, ist nicht sicher. Deshalb muss man jetzt etwas unternehmen, und deshalb haben sie sich dies ausgedacht, dass wir jetzt gemeinsam einen Kredit aufnehmen sollen. Natürlich versuchen wir die Risiken dessen zu mindern, dies für die Ungarn handhabbar, erträglich zu machen, doch müssen wir einsehen, auch wenn ich einen Widerwillen dagegen verspüre, jetzt ist es trotzdem notwendig, einmal, ausnahmsweise dieses Mittel anzuwenden. In Ordnung, aber man kann es nicht so machen, dass wir dieses Geld auf ungerechte Weise benutzen, und Gesichtspunkte auswählen, die nur für bestimmte Länder eine vorteilhafte Verteilung des Geldes zum Ergebnis haben, und für andere nicht. Man kann also die mitteleuropäischen Länder nicht über den Tisch ziehen. Man kann uns also nicht als Einfaltspinsel ansehen. Es mag sein, dass wir später der Europäischen Union beigetreten sind, aber wir sind nicht naiv. Man muss hier also eine anständige und faire Verteilung durchführen, die Möglichkeit dazu besteht. Man muss den zentralen Inhalt dieses Plans in einigen Punkten verändern. Die V4 haben hierzu Vorschläge gemacht, und dann wird das Ganze erträglich sein, und danach sollten wir beten.

Wir haben noch eine halbe Minute. Herr Ministerpräsident, wenn heute der slowakische Ministerpräsident kommt, danken Sie ihm dafür, dass er am Jahrestag von Trianon im Grunde genommen im Namen der Slowaken um Verzeihung wegen Trianon gebeten hat?

Ich würde es vielleicht nicht so formulieren. Das Sich-Entschuldigen ist in der Politik eine sehr schwierige Sache, und wir bestehen darauf auch gar nicht. Ich schlafe dadurch nicht besser, wen irgendeiner unserer Nachbarn sich für irgendetwas entschuldigt. Ich würde eher sagen, man muss danach streben, damit das Verhältnis korrekt und fair ist. Auch wir sind nicht ohne Fehler, möchten es sein, aber man muss einsehen, auch wir sind nicht ohne Fehler, unsere Geschichte ist es auch nicht. Zweifellos ist das, was vor hundert Jahren geschehen ist, eine beispiellose Ungerechtigkeit, doch wird sie durch keinerlei Bitte um Entschuldigung behoben. Ich strebe also nicht danach, dass wir einander hinsichtlich der Vergangenheit solche, die Wunden leckenden Erklärungen abgeben sollen, weil das uns nirgendwohin führt. Nicht die Vergangenheit muss verändert werden, das können wir nicht. Deshalb sind die Bemerkungen über die Vergangenheit schöne Gesten, doch aus ihnen folgt nichts. Für uns ist die Zukunft interessant, denn die werden wir gewinnen. Ich sage es auch im Namen der Ungarn, dass wir das 20. Jahrhundert verloren haben, doch werden die Ungarn das 21. Jahrhundert gewinnen. Wir sind ein aufsteigendes, erstarkendes und siegendes Land, und das werden wir auch im kommenden Zeitraum sein, so wie die Zeit vergeht, wird dies von Jahr zu Jahr immer offensichtlicher werden. Wir stellen uns also mit größerem Selbstbewusstsein, höherem Selbstwertgefühl, ich hoffe, uns im Übrigen selbst respektierend, uns gut verhaltend, mit den anderen Ländern der Region eine Zusammenarbeit ausbildend ein aufsteigendes Ungarn, ein aufsteigendes Mitteleuropa vor. Aus diesem Grund sind für mich jene Bemerkungen des slowakischen Ministerpräsidenten wertvoll, die er hinsichtlich der Zukunft darüber gemacht hat, wie wir, Ungarn und Slowaken, gemeinsam erfolgreich sein können, gemeinsam siegen können. Das ist die große Sache, nicht die Bemerkungen über die Vergangenheit. Es ist unsere ungarische Angelegenheit, ob einige Sätze etwas an der Ungerechtigkeit von vor hundert Jahren lindern oder nicht, für mich tut es das konkret nicht. Ich sage nicht, dass ich solche Sätze nicht bemerke, doch interessiert es mich nicht. Mich interessiert, wie, an welchen Punkten das slowakische und das ungarische Volk zusammenarbeitet, wie wir einander helfen werden, und wie wir einander im Licht des vergangenen hundert Jahre nicht nur leben lassen werden – was im Übrigen auch schon eine schöne Sache ist, wenn wir einander nach unserer eigenen Natur, Logik, Kultur und Sprache leben lassen –, doch besteht jetzt die Möglichkeit zu mehr: zusammenzuarbeiten und gemeinsam zu siegen. Das erwarte ich von der heutigen Beratung, und das erwarte ich auch im Allgemeinen. Hinzu kommt noch, dass es auch unsere Verantwortung erfordert, an die Zukunft zu denken, denn wir sind erneut das bevölkerungsreichste Land des Karpatenbeckens, wir erstarken, die ganze Welt kann es sehen. Seelisch, jetzt dann langsam auch schon demografisch, auch an militärischer und Finanzkraft, auch an Kapitalkraft. Wir sind ein erstarkendes Volk, das Partner für eine erfolgreiche Zukunft sucht.

Vielen Dank! Sie hörten Ministerpräsident Viktor Orbán.