Viktor Orbáns Erklärung nach der Sitzung des Europäischen Rates
21. Juni 2019, Brüssel

Katalin Zöldhegyi (Hír TV): Herr Ministerpräsident, wie sehen Sie es, gab es auf dem Unionsgipfel einen Fortschritt hinsichtlich der Besetzung der Führungsposten der EU, und wie sehen Sie die Chancen der V4, irgendeinen führenden EU-Posten besetzen zu können?

Wir haben bedeutende Schritte getan. In Ungarn haben wir, habe ich eine große Unterstützung erhalten; 53 Prozent, das ist beispiellos, in Europa verfügt beinahe niemand über solch eine Unterstützung, und dafür haben wir, habe ich auch ernsthafte Verpflichtungen auf uns genommen. Ich hatte gesagt, mit dieser Unterstützung könne ich verhindern, dass die Europäische Union führende Politiker bekomme, die die Einwanderung unterstützen. Ich habe mich auch dazu verpflichtet, dass die EU niemanden an ihrer Spitze haben soll, der Ungarn und den mitteleuropäischen Ländern gegenüber nicht jenen Respekt zeigt, der diesen zusteht. Diese beiden Verpflichtungen habe ich bis zu dem gestrigen Tag erfolgreich erfüllt, denn die Spitzenkandidaten – Herr Weber und Herr Timmermans – sind durchgefallen, da sie keiner der beiden Anforderungen gerecht wurden. Ihr Ausscheiden ist eine gute Nachricht für Ungarn.

Katalin Zöldhegyi (Hír TV): Kann man im Zusammenhang mit den V4 wissen, ob sie eine Chance besitzen, einen wichtigen Posten in der EU zu besetzen?

Ja, wir besitzen dafür eine gute Chance. Die V4 haben für jeden Posten der Europäischen Union auch mehrere, zwei-drei Kandidaten, Anwärter, und wir besitzen gute Aussichten darauf, in den Gesprächen in der vor uns stehenden Woche die V4 mit dem entsprechenden Gewicht vertreten zu können.

Eszter Baraczka (M1): Im Laufe der Nacht ist es auch auf mehreren Pressekonferenzen mehrfach gesagt worden, dass niemand bereit ist, über Namen  zu sprechen. Verraten Sie uns soviel, Herr Ministerpräsident, ob die Liste der bisher bekannten bzw. unbekannten Namen kürzer oder länger geworden ist, ob neue Namen aufgenommen worden sind und ob es unter ihnen solche gibt, die Ungarn zusagen?

Die V4 haben Vorschläge, das sind konkrete Namen, sie sind alle gut für Ungarn und auch gut für Mitteleuropa. Mit dem Nennen der Namen muss man vorsichtig umgehen, denn es gibt Personen, deren Chancen sich vergrößern, wenn ihr Name genannt wird, und es gibt solche, deren Chancen sich vermindern, aber das ist eben so ein Gewerbe – wenn ich so formulieren darf –, das ist so ein Nebenzweig der politischen Arbeit. Hier besitzen das richtige Timing, die Diskretion, das Hervorpreschen zum richtigen Zeitpunkt ihre eigene Logik. Sicher ist, dass sich die V4 während der Woche, irgendwann Mitte der Woche auch persönlich treffen werden, damit wir auch die letzten Abstimmungen durchführen können. Dann kommen wir am Sonntag wieder her, da sehen wir uns wieder, und am Sonntagabend werden wir in guter Kondition – hoffe ich – die Interessen Mitteleuropas versuchen zu verteidigen. Die Chancen stehen gut, wir haben gute Kandidaten, meiner Ansicht nach werden sie es auch schaffen.

Eszter Baraczka (M1): Gestern gab es noch einen Tagesordnungspunkt auf dem Gipfeltreffen, über den alle dachten, darüber würde es doch keine so großen Debatten geben, und dann gab es sie dennoch. Es ging um die Fragen des Klimas. Der Plan war, dass die Europäische Union sehr ambitionierte Ziele formuliert, nämlich dass die Europäische Union bis 2050 den Zustand der Klimaneutralität erreichen soll. Danach ist das nicht gelungen, der endgültige Text ist zurückhaltender geworden, und laut Berichten aus dem Grund, weil auch Ungarn jenen Text zurückgewiesen hatte. Was beanstanden sie eigentlich?

Dem ist tatsächlich so, die Berichte entsprechen der Wirklichkeit. Die Situation ist die, dass Ungarn gemeinsam mit anderen Ländern Klimazielverpflichtungen besitzt. Diese können wir bis 2030 verwirklichen, hierfür haben wir Pläne, und diese können wir auf die Weise verwirklichen, wir haben auch das Geld dazu, dass das Erreichen der Klimaziele nicht die Zunahme der Nebenkosten für Wohnungen zum Ergebnis haben soll. Wir sind also in der Lage, unsere bis 2030 gesteckten Ziele auf die Weise zu verwirklichen, dass sich auch das Klima verbessert und auch die ungarischen Familien nicht mehr Geld für die Energie zahlen müssen. Der Vorschlag lautete, wir sollen jetzt weitergehen und auch für 2050 Verpflichtungen eingehen. Wir haben ausgeführt, dass wir dem zustimmen, dass wir bis 2050 das sogenannte klimaneutrale, ausstoßneutrale europäische Energiesystem erreichen sollen, doch wo gibt es hierfür das Geld? Wir stimmen dem Ziel zu, doch so lange wir nicht sehen, wo es hierfür das Geld gibt, verpflichten wir uns nicht dazu – also sollten wir anfangen, über das Geld zu verhandeln. Wenn das Geld vorhanden sein wird, wenn die EU dafür Quellen eröffnet, und wir die Modernisierung des ungarischen Energiesystems auf die Weise durchführen können, dass die Familien dafür nicht mehr bezahlen müssen, dann verpflichten wir uns dazu, aber hierzu sind noch einige Monate Verhandlungen notwendig. Wir sind offen, wir werden Verhandlungen führen.

Eszter Baraczka (M1): Zugleich findet sich im Text ein Satz, der – wenn ich das richtig annehme – aus dem ungarischen Gesichtspunkt vorteilhaft ist, nämlich der, dass es das Recht und die Kompetenz der Mitgliedsstaaten sein wird, was für einen Energiemix sie zusammenstellen. Dass dies mit aufgenommen wurde, ist – nehme ich an – auch hinsichtlich Paks keine zu vernachlässigende Tatsache.

Es gab auch im Zusammenhang mit den Klimazielen eine Nebendiskussion, dies war die Frage der Atomenergie, der Nuklearenergie. Der ungarische Standpunkt ist klar: Wenn wir Klimaziele erreichen wollen, dann benötigen wir die Nuklearenergie. Dies stellen ein-zwei Länder in Abrede, doch sind sie sehr deutlich in der Minderheit, deshalb lösen wir diesen Widerspruch auf, indem jedes Land das Recht behält, zu entscheiden, ob es in der Zukunft Atomenergie betreiben möchte oder nicht. Ungarn möchte dies, denn ohne Paks gibt es keine niedrigen Nebenkosten.

Eszter Baraczka (M1): Ich hätte im Zusammenhang damit noch eine letzte Frage. Es gingen gestern Gerüchte um, im Grunde sei es Angela Merkel gewesen, die die Klimaziele für 2050 zurückweisenden Länder verstanden hat und sich auf ihre Seite stellte. Entspricht das der Wahrheit?

Auch sie verstand, aber auch andere, dass wir die Klimaziele nicht zurückweisen. Die Klimaziele sind gut, doch verpflichten kann man sich zu ihrer Umsetzung nur dann, wenn wir die finanziellen Quellen sehen, denn ansonsten bürden wir den mitteleuropäischen, innerhalb diesen den ungarischen Wählern und Haushalten Lasten auf, die sie nicht aushalten können. Man darf sich also über die Absichten hinaus nur dann mit der Kraft der Verpflichtung über etwas äußern, wenn wir die finanzielle Lösung sehen. Denn das Ziel dieser Regulierungen ist es, dass es den Menschen besser und nicht schlechter gehen soll. Und wenn das Klima besser ist, aber die Menschen nicht ihre Energierechnungen bezahlen können, dann haben wir mit der Lösung der einen Angelegenheit ein noch größeres Übel verursacht. Wir benötigen also eine Lösung, nach der es Klimaziele geben soll, und wir auch die niedrigen Nebenkosten beibehalten können. Hierzu ist Geld notwendig, und hierüber muss verhandelt sowie eine Vereinbarung getroffen werden.

Vielen Dank Herr Ministerpräsident! Wir wünschen Ihnen eine gute Reise!